Eine Billion Dollar
er nicht allzu oft dazu kam, über sein Liebesleben nachzudenken.
Der Wagen kam würdevoll zum Stehen. Einer der Sicherheitsleute öffnete die Tür, und dann stieg er wirklich und wahrhaftig aus: Premierminister John Major, unverkennbar mit seinem weißen, gescheitelten Haar, der großen, dünnrandigen Brille und seinem breiten Lächeln, genau wie im Fernsehen, und als sie einander die Hände schüttelten, kam es John so vor, als ob der Politiker ebenfalls nervös sei.
Er wird Angst vor Ihnen haben, hatte McCaine erklärt. Es gibt nur eine Hand voll Länder auf der Welt, die einem Angriff Ihres Vermögens standhalten würden – und Großbritannien gehört nicht einmal ansatzweise dazu. Er wird sich fragen, was Sie von ihm wollen. Er wird sich fragen, ob Sie irgendwann während des Essens, zwischen Hauptgang und Dessert, in aller Gelassenheit etwas Ungeheuerliches von ihm verlangen werden.
John hatte das Gefühl, neben sich zu stehen und sich verwundert dabei zuzusehen, wie er dem Premierminister Ihrer Majestät der Königin von England die Hand schüttelte und mit ihm Begrüßungsfloskeln austauschte, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan. In Vorbereitung dieser Einladung hatte er darauf bestanden, einige Unterrichtsstunden bei einem diskreten Benimmlehrer in London zu nehmen, der ihm alle Feinheiten des Protokolls beigebracht und alles, was man einüben konnte, mit ihm eingeübt hatte.
McCaine hatte gelacht. Sie sind der reichste Mann der Welt, John – Sie können sich benehmen, wie Sie wollen!
John glaubte zu spüren, dass Major beeindruckt war, als sie hineingingen. Offenbar war dem Innenarchitekten, der als einer der besten der Welt galt, gelungen, was er sich vorgenommen hatte: ein elegantes, würdevolles Ambiente zu schaffen, ohne so zu tun, als lebe hier der Vertreter einer jahrhundertealten Dynastie. Wertvolle Antiquitäten standen neben ultramodernen Designermöbeln aus Stahl und Glas, moderne Gemälde setzten interessante Akzente, und vor allem war es im Schloss seit dem Umbau heller als je zuvor: Taghelle Strahler leuchteten die einstmals dunklen Winkel aus, was in den alterwürdigen Hallen eine Atmosphäre von Weite und Leichtigkeit schuf.
Sie gingen, wie es das in wochenlanger Arbeit vorbereitete Programm vorsah, ein wenig in den Gärten hinter dem Schloss spazieren, aus der Ferne beobachtet von Dutzenden von Sicherheitsleuten, und versuchten sich in Konversation. John Major, stellte sich heraus, liebte die Oper und den Kricketsport – mit beidem konnte John absolut nichts anfangen. Auch über die Probleme der Pfauenhaltung wusste er nichts zu sagen, also lobten sie das für die Jahreszeit ungewöhnlich schöne Wetter und bekräftigten mehrmals, wie sehr sie sich freuten, den anderen kennen zu lernen. Schließlich rückte der Premierminister damit heraus, dass Seine Königliche Hoheit, der Prinz von Wales, sich sehr interessiert gezeigt hätte, ihn kennen zu lernen. »Er hat nicht ausdrücklich gesagt, dass ich Sie von ihm grüßen solle«, fügte der britische Regierungschef hinzu, »aber es könnte gut sein, dass er Sie einmal einlädt.«
John nickte. McCaine und er hatten darüber diskutiert, statt des Premierministers den Thronfolger einzuladen, aber McCaine war dagegen gewesen. Das wäre eine Brüskierung. Nicht dass wir uns das nicht leisten könnten, und vermutlich würde Prinz Charles sogar kommen – aber dadurch würden wir die wahren Machtverhältnisse zu früh aufdecken.
Eine halbe Stunde später trafen die übrigen Gäste ein. Die Herausgeberin des angesehenen Monatsmagazins 20th Century Observer, Viktoria Holden, die man die große alte Dame des gehobenen Journalismus nannte, war mit dem Zug aus London angereist, und John hatte sie vom Bahnhof abholen lassen. Zugleich mit ihr kam Alain Smith an, der Herausgeber des Massenblattes The Sun, auf der journalistischen Qualitätsskala ungefähr an der dem Observer entgegengesetzten Ende anzusiedeln. Trotzdem begrüßten sich die beiden wie gute alte Freunde. Kurz darauf erschien der Großbritannien-Korrespondent der Washington Post, ein drahtiger junger Mann namens David Moody, dessen Händedruck John noch fünf Minuten danach spürte, und schließlich trudelte Lord Peter Rawburne ein, der berühmte Journalist: mit zahlreichen Fehlzündungen, die die Bodyguards nervös in die Jacken greifen ließen, kam er mit einem so gut wie schrottreifen Aston Martin über die Kuppe gekeucht, parkte ungeniert neben all den Nobelkarossen
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