Eine Billion Dollar
und unwiderstehlicher werden wir und desto schneller reißen wir noch mehr an uns. Wir wachsen, bis wir so groß sind wie die ganze Welt.«
John sah ihn nicht an und sagte nichts. Er sah aus dem Fenster und verfolgte den Start. Die Vorstellung, ein Schwarzes Loch zu sein, gefiel ihm irgendwie nicht so gut, wie sie McCaine zu gefallen schien. Es war eine verblüffende Nachricht. In einer beinahe komisch wirkenden Aktion hatten die deutsche und die italienische Steuerfahndung Niederlassungen der Fontanelli-Bank in Frankfurt, München, Florenz, Mailand und Rom durchsucht und sogar einige Kisten voll Akten beschlagnahmt, die freilich von einem Geschwader unverzüglich einfallender Firmenanwälte wieder zurückerobert wurden, ehe auch nur ein Auge eines Gesetzeshüters einen Blick hatte hineinwerfen können.
»Was, zum Teufel, hat das zu bedeuten?«, rief John, den es nicht mehr im Sessel hielt. »Was suchen die? Und was können sie uns anhaben?« Er starrte aus dem Fenster, ohne irgendetwas wahrzunehmen.
»Nichts«, sagte McCaine. »Sie können uns nichts anhaben. Regen Sie sich nicht auf, John, das ist die Sache nicht wert.« Er stand gelassen da, strich sich das Revers seines Anzugs glatt und korrigierte den Sitz seiner Krawatte.
»Aber wir müssen doch irgendetwas tun. Wir können das doch nicht so hinnehmen!«
»Natürlich nicht. Jetzt ist die Zeit, vor die Kameras der Weltöffentlichkeit zu treten und ernste Bedenken an den Tag zu legen. Wir werden uns tiefe Sorgen um den Finanzplatz Europa machen. Wir werden die Bedeutung des freien Kapitalverkehrs beschwören, die Unausweichlichkeit der Globalisierung und die Unkontrollierbarkeit der internationalen Geldströme. Und so weiter.« Er lachte auf, als sei das alles ein amüsantes Spiel für ihn. »Und sie werden wieder jedes Wort glauben.«
John musterte McCaine unschlüssig. »Könnte man das denn? Die internationalen Geldströme kontrollieren?«
McCaine lachte wieder. Ein höchst amüsantes Spiel. »Ja, sicher. Alles Geld fließt durch die Computer der Banken, und aus diesem System entweicht nicht ein einziger Cent. Kann Kontrolle noch besser sein?«
»Und die Globalisierung? Das ist doch eine unaufhaltsame Entwicklung…?«
»John – wir machen die Globalisierung. Wir beide, Sie und ich, wir sind die Globalisierung. Und wenn all die Staaten da draußen sich einig wären, könnten sie uns mit einem Handstreich stoppen, natürlich. Aber sie sind sich eben nicht einig.« Er zupfte seine Manschetten zurecht. »Divide et impera nennt man dieses Prinzip, glaube ich.«
Es klopfte an der Tür, eine der Sekretärinnen streckte den tizianrot geschopften Kopf herein. »Mister Fontanelli, Mister McCaine – die Presseleute sind jetzt unten in der Lounge.«
»Danke, Frances«, sagte McCaine. »Wir kommen gleich.« John wünschte sich, er hätte so zuversichtlich und unbeschwert sein können wie McCaine. Ihm gefiel das alles gar nicht. Ihm war plötzlich, als wanderten sie auf dünnem Eis. Und um das Knacken unter ihren Füßen nicht zu hören, sangen und pfiffen sie laut vor sich hin.
Die Moneyforce One flog entlang der Küste von Nordborneo nordwärts. Unter dem linken Flügel glitzerte das Tiefblau des Südchinesischen Meers, unter dem rechten schimmerten die Nebel über den dunkelgrünen Urwäldern Borneos.
»Das wird Ihnen gefallen«, hatte McCaine gemeint.
Der Dschungel weitete sich zu einer gewaltigen Bucht, mitten darin eine Stadt, die über dem Wasser zu schweben schien. Auf den goldenen Kuppeln von Moscheen und Palästen spielte das Sonnenlicht wie in einem Traum aus Tausendundeiner Nacht. John starrte aus dem Fenster neben seinem Sitz und merkte erst nach einer Weile, dass sein Mund offen stand vor Staunen.
»Sie haben Recht«, meinte er, fast atemlos. »Es gefällt mir.«
McCaine sah von einer dicken Akte auf und spähte kurz hinaus, um zu sehen, was er meinte. »Ach das«, sagte er. »Das ist noch gar nichts.«
Kampong Ayer , die »Stadt auf dem Wasser«, so erfuhr John später, war tatsächlich auf Stelzen errichtet worden, und das schon vor Jahrhunderten. Schon arabische Seefahrer des Mittelalters hatten sie so genannt, als das Land darum herum noch Sribuza geheißen hatte. In diesem Jahrhundert hatte sie sich beiderseits der Bucht auf das Festland ausgedehnt und hieß nun Bandar Seri Begawan, die Hauptstadt von Brunei Darussalam, des Sultanats Brunei. Es war, stellte John fest, als sie auf breiten Boulevards hindurchfuhren, eine moderne,
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