Eine Billion Dollar
reiche Stadt. Kein einziges altes Auto war auf den Straßen zu entdecken, rechts und links reihten sich schmucke Bungalows und Supermärkte. Von den Minaretten riefen die Muezzin zum Gebet, was ihren Fahrer veranlasste, anzuhalten, auszusteigen und den Teppich auszurollen.
»Die Menschen hier haben allen Grund, Allah zu danken«, meinte McCaine und beobachtete den Mann durch die Scheibe hindurch sein Gebet verrichten. »Sie haben noch nie Steuern zahlen müssen, Bildung und medizinische Versorgung sind kostenlos, Armut gibt es nicht, sogar der private Wohnungsbau wird bezuschusst. Und alle dreckigen Arbeiten werden von Ausländern erledigt, Chinesen meist.« »Alles dank dem Öl«, mutmaßte John.
»Dank dem Öl«, stimmte McCaine zu. »Schon bemerkenswert, wie zielsicher der Schöpfer fast alle großen Ölvorkommen unter islamische Länder platziert hat, finden Sie nicht? Gibt einem manchmal zu denken. Unsere Kollegen von Shell zahlen dem Sultan so viel, dass er sogar nach Abzug aller Staatsausgaben an die zweieinhalb Milliarden Dollar im Jahr auf die hohe Kante legen kann. Wo sich bereits etwa dreißig Milliarden US-Dollar befinden, wohlgemerkt. Sultan Haji Hassanal Bolkiah war der reichste Mann der Welt, ehe Sie auf der Bildfläche erschienen.«
Der Fahrer rollte seinen Teppich wieder ein, verstaute ihn im Kofferraum und setzte die Fahrt fort, als sei nichts gewesen.
»Und was genau wollen wir hier?«, fragte John, den ein vages Gefühl von Unbehaglichkeit beschlich.
McCaine machte eine vage Geste mit der Hand. »Es kann nicht schaden, sich einmal persönlich kennen zu lernen. Der Sultan wird uns empfangen, und er hat ausrichten lassen, dass er sich sehr freue, Sie kennen zu lernen.«
»Muss ich mich geehrt fühlen?«
»Gute Frage. Der Sultan ist Dewa Emas Kayangan, der goldene Gott, der vom Himmel kam. Für seine traditionsbewussten Untertanen zumindest. Für den Rest der Welt ist er einfach ein Potentat. Ein Potentat mit Öl.«
Der Wagen hatte die Uferpromenade erreicht und rollte auf ein riesiges Gebäude mit goldglänzenden Kuppeldächern zu. »Hübsch, nicht?«, meinte McCaine spöttisch. John starrte das Bauwerk fassungslos an, eine Scheußlichkeit, die aussah wie eine missglückte Kreuzung zwischen Petersdom und einem Dutzend Minaretten.
»Der größte Palast der Welt«, erläuterte McCaine. »Erbaut von einem Schüler Le Corbusiers, der allerdings nicht sehr glücklich darüber ist, weil ihm der Sultan wohl ziemlich viel dreingeredet hat. Der Palast hat achtzehnhundert Zimmer, zweihundertfünfzig Toiletten und die Grundfläche von zweieinhalbtausend Einfamilienhäusern. Man hat damals Innenarchitekten aus Italien geholt, Glasmacher aus Venedig, Statiker aus Amerika, seidene Wandtapeten aus Frankreich, Marmor in vierzig Variationen aus Italien, Goldbarren für den Thronsaal aus Indien, Onyx-Fliesen aus Marokko – und so weiter…«
»Gütiger Himmel«, meinte John. »Das muss ein Vermögen gekostet haben.«
»Um die fünfhundert Millionen Dollar. Etwas mehr als unser Jumbo. Allerdings war das 1981.«
»Unser Jumbo ist wesentlich ästhetischer.«
»Aber nicht so geräumig.« McCaine zuckte die Schultern. »Wie auch immer, ich wollte, dass Sie das mal sehen. Vielleicht glauben Sie mir jetzt endlich, dass Sie längst noch nicht standesgemäß residieren.«
An diese Worte musste John denken, als sie das nächste Mal in London zwischenlandeten und er nach Hause fuhr. Nach Hause – na ja. Das Schloss war imposant und luxuriös und alles, aber so riesig, wie es war, und mit Hunderten von Hausangestellten hatte er eher das Gefühl, einen Bahnhof zu betreten als ein Zuhause. Und das sollte immer noch nicht »standesgemäß« sein? Wie viel Protz und Prunk sollte er denn noch um sich herum anhäufen? Und wozu? Er dachte manchmal – wenn er dazu kam in dem ganzen Wirbel – an die ersten Wochen in Italien und wie idyllisch alles gewesen war. Damals war ihm schon lästig gefallen, dass ihm ein oder zwei Leibwächter auf Schritt und Tritt gefolgt waren. Mittlerweile hatte sich eine immer größer werdende Sicherheitsorganisation um ihn herum entwickelt, eine eigene Armee, die jeden seiner Schritte beschützte und sicherte, noch ehe er ihn tat. Er musste diesen Männern morgens sagen, was er den Tag über vorhatte, wo er hingehen wollte und wo er sich aufzuhalten gedachte, und dann schwärmten sie aus, sein persönlicher Geheimdienst, prüften, sicherten, untersuchten auf Bomben und Attentäter und
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