Eine Billion Dollar
einer eigenen Bank hervorragend dazu eignet, finanzielle Transaktionen vor dem Einblick staatlicher Aufsichtsorgane zu schützen. Wenn es Banken nicht schon gäbe, wir müssten sie erfinden.«
Der klobige, elf Stockwerke hohe Sandsteinbau lag sozusagen im Schatten des World Trade Center, was, wie McCaine spöttisch anmerkte, eine völlige Verkehrung des wirklichen Sachverhalts darstellte. Über dem Portal prangte ein riesiges, mit Blattgold belegtes Relief, auf dem zu lesen war: Kredit ist der Lebensatem des freien Handels. Er hat mehr als tausendmal so viel zum Reichtum der Nationen beigetragen als alle Goldminen der Welt. John war noch ganz geblendet, als sie die verschwiegene Sphäre dahinter betraten, die Räume von Moody’s Investors Service, der weltgrößten Bewertungsagentur für Kapitalanlagen.
Moody’s untersuchte Firmen, Nationen, alles, worin man Geld investieren konnte, auf Investitionsrisiken. An keinem Ort der Welt wurden vertrauliche Informationen so vieler Staaten und Unternehmen gehütet. Kein fremder Besucher durfte die Büros der Mitarbeiter betreten, und wäre es der Papst persönlich gewesen. Analysten, die auf Einladung nationaler Finanzministerien Staatsfinanzen prüften, reisten ausschließlich zu zweit, um Bestechungsversuchen vorzubeugen, und müssten ihre persönlichen Investitionen offen legen, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Die Bewertung der Kreditwürdigkeit von Staatsanleihen durch Moody’s wirkte sich in Risikozuschlägen am Markt aus, sprich, auf die Zinsen, die Regierungen für Schuldpapiere aufbringen müssten. Moody’s nahm keinerlei Rücksicht, Moody’s war unempfindlich gegen die Versuche von Regierungen, Druck auszuüben. Wenn Moody’s kurz vor einer Wahl den Kreditstatus eines Landes zur Nachprüfung ansetzte, konnte das bedeuten, dass die regierende Partei die Wahlen schon so gut wie verloren hatte. Genau das war diesen März in Australien geschehen und hatte zu einer der schwersten Niederlagen der regierenden Labour Party geführt.
Im Grunde hatten sie keinen konkreten Grund für ihren Besuch. »Moody’s ist eines der wirklichen Machtzentren der Welt«, hatte McCaine einfach gemeint. »Es kann nicht schaden, uns dort einmal blicken zu lassen. Wenn wir schon in der Gegend sind.«
Sie wurden in einen mit dicken Teppichen ausgelegten Empfangsraum gebeten, gleich darauf hinauf in den elften Stock gebracht, in ein elegantes Konferenzzimmer, in dem sie der Präsident des Anfang des Jahrhunderts gegründeten Unternehmens begrüßte. »Was für eine Ehre, Mister Fontanelli, Sie einmal persönlich kennen zu lernen«, meinte er sichtlich bewegt.
Dann versicherte er ihnen, dass die Banco Fontanelli di Firenze selbstverständlich bestens bewertet sei und mit dem begehrten Triple-A in den Unterlagen stünde, »und wenn wir ein viertes A vergeben würden, hätten Sie das selbstverständlich auch«, setzte er mit einem Leuchten in den Augen hinzu. Hätte der grauhaarige Mann ihn als Nächstes um ein Autogramm gebeten, John wäre nicht überrascht gewesen. Er sah sich selbst in den Gesichtszügen des Präsidenten, einen John Fontanelli, den er so noch nie gesehen hatte. Für den altgedienten Analysten war er, der reichste Mann in der Geschichte der Menschheit, die personifizierte Kreditwürdigkeit. Eine Sagengestalt geradezu. Gott Mammon persönlich.
»Schön zu hören«, sagte John und lächelte. In den Türmen des World Trade Center spiegelte sich die Sonne eines strahlenden Augusttages.
Sie besichtigten im Lauf der Zeit noch andere Einrichtungen, von denen John nie vorher gehört hatte. Auch die Society For Worldwide Interbank Financial Telecommunication, kurz Swift, fühlte sich durch den Besuch John Fontanellis geehrt. Eine Limousine mit abgedunkelten Fenstern brachte sie aus Amsterdam heraus und auf verschlungenen Pfaden zu einem Gebäude, dessen Aussehen und Abmessungen sie beim Aussteigen nur schemenhaft erahnen konnten.
»Signor Vacchi war auch einmal hier«, erzählte ihnen der bleichhäutige, glatzköpfige Holländer, der sie einen Gang entlang führte, von dem aus man durch Panzerglasfenster endlose Reihen großer Computer betrachten konnte. »Aber das ist schon eine Weile her. Wie geht es ihm?«
»Gut«, sagte John einfach, dem nicht danach war, sich über dieses Thema weiter auszulassen.
Swift, erfuhr er, organisierte jährlich fünfhundert Millionen Geldanweisungen weltweit. Mit Verschlüsselungstechniken, die militärischen Anforderungen
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