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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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ausgerechnet hier wieder begegnen?«
    John nickte. »Ja. Alles ziemlich verrückt.«
    »Es hat mir immer leid getan, dass ich damals nicht da war, als du angerufen hast vom Waldorf aus. Ich war gerade in Japan, zwei Wochen. Als ich zurückkam, warst du schon Tagesgespräch in allen Nachrichten, und da dachte ich, jetzt brauche ich auch nicht mehr zurückrufen.«
    »Wäre ziemlich sinnlos gewesen, ja.«
    Paul fasste in die Tasche und zog ein Etui mit Visitenkarten hervor. »Aber ich habe mir geschworen, dass ich dir die Nummer meines Mobiltelefons gebe, falls wir uns je wieder sehen sollten. Und diesen Schwur löse ich jetzt ein. Nein, sag nichts – ein Schwur ist ein Schwur, und wer weiß, vielleicht passiert dir wieder mal so was in der Art…« Er kritzelte eine Telefonnummer auf die Rückseite einer Karte und gab sie John.
    John betrachtete das eindrucksvoll aussehende Signet des Währungsfonds und den nicht minder eindrucksvoll klingenden Titel unter Pauls Namen, drehte die Karte um, las die Telefonnummer und stutzte. »Ist ja witzig.«
    Paul war noch dabei, seinen Kugelschreiber wieder in der entsprechenden Lasche seines Notizbuchs zu verstauen. »Was? Dass ich ein Mobiltelefon habe? Ich sage dir, ich gehe keinen Schritt mehr ohne. Sobald es welche gibt, die man sich einoperieren lassen kann, bin ich dabei.«
    »Nein, ich meine die Nummer. Das ist ja dein Geburtstagsdatum. Wie hast du denn das hingekriegt?«
    Paul hob die Augenbrauen. »Du, das ist ganz einfach. Man kann sich seine Nummer aussuchen, und ich war von Anfang an dabei. Als noch freie Auswahl herrschte.«
    »Kann man sich jedenfalls leicht merken.«
    »Wenn man mich kennt.«
    Sie setzten sich, John auf den Sessel des russischen Direktors, Paul auf den des saudiarabischen, und füllten die fehlenden drei Jahre, seit sie zuletzt in Pauls Wohnung im West Village von Manhattan zusammengesessen hatten und John ein armer Schlucker mit Schulden bei aller Welt gewesen war. Paul war vor zwei Jahren, nach dem Ende einer kurzen Beziehung und kurz nach Johns Erbschaft, von der Unternehmensberatung zum Internationalen Währungsfonds gewechselt und nach Washington umgezogen. Deshalb hatte John ihn damals nicht mehr erreicht. Was schon alles war, was Paul zu erzählen hatte. Eine neue Brille hatte er, die ihm gut stand, seine widerspenstigen dunkelbraunen Haare hatten einen neuen Schnitt, der ihm nicht so gut stand, ansonsten war er noch ganz der, der er immer gewesen war, die Verkörperung der Intelligenz, der Fleisch gewordene gesunde Menschenverstand.
    Um zu erzählen, was die vergangenen Jahre in seinem Leben verändert hatten, brauchte John deutlich länger, und als er damit fertig war, betrachtete Paul ihn lange und schweigend. »Ich weiß nicht, ob ich dich beneiden oder bemitleiden soll«, gestand er schließlich. »Wirklich. Eine Billion Dollar, beim Allmächtigen! Da weiß man ja nicht, ob das eine Strafe ist oder ein Fluch.« Er lachte auf. »Jedenfalls muss ich mir keine Sorgen mehr machen, dass du verhungern könntest.«
    John musste auch lachen. Plötzlich war es wieder so wie früher. Wie damals, als sie auf der Mauer des eingestürzten Hauses in der dreizehnten Straße gesessen und ihre Vermutungen und Erkenntnisse über die Beschaffenheit von Mädchen ausgetauscht hatten. »Was hältst du von all dem?«, fragte er. »Ganz unter uns.«
    »Wovon? Von deinem Philippinen-Vorschlag?«
    »Von allem. Was ich mit dem Geld mache. McCaine. Fontanelli Enterprises. Die Prophezeiung.«
    »Von Prophezeiungen halte ich grundsätzlich nichts, dazu habe ich schon selber zu viele gemacht«, erwiderte Paul und lehnte sich zurück. »Was du dir sicher schon gedacht hast. Ansonsten… Ich weiß nicht. Als ich erfahren habe, dass du kommst, habe ich ein paar Erkundigungen eingeholt. Viel ist nicht herausgekommen dabei. Ein paar Details über Malcolm McCaines frühere Firmen, nichts Aufregendes, und über seinen Werdegang. Bei IBM hat man ihn ungern gehen lassen, das habe ich etliche Male gehört. Sein Studium hat er mit hervorragenden Noten abgeschlossen, einige seiner Professoren erinnern sich noch an ihn, als etwas schrägen Vogel, das ist alles. Und Fontanelli Enterprises – tja.« Er rieb sich die Nase, immer noch so, wie er es früher getan hatte. »Ich habe ein ungutes Gefühl dabei, dass ein solcher Koloss existiert. Jeder Volkswirtschaftler hätte das. Es ist nicht gut für eine Wirtschaft, wenn ein einzelner Teilnehmer so viel größer ist als alle anderen.

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