Eine Billion Dollar
Zwischenfällen gekommen, aber natürlich sehen die Bodyguards ein derartiges Verhalten nicht gern. Ich übrigens auch nicht. Aber Mister Fontanelli ist erwachsen und braucht sich von niemandem vorschreiben zu lassen, was er zu tun oder zu lassen hat. Allerdings haben wir festgestellt, dass kurze Zeit danach auch einer der Leibwächter verschwunden ist«, fügte er mit einem Blick in die Runde der eifrig stenografierenden Journalisten hinzu. »Ob es hier einen Zusammenhang gibt, wird zurzeit noch von der Polizei untersucht.«
Ein korpulenter Reporter, der ein T-Shirt mit dem Logo eines amerikanischen Senders trug, meldete sich. »Gehen Sie davon aus, dass es sich um eine geplante Entführung handelt?«
»Ich wüsste nicht, wie jemand das hätte planen können. Dass Mister Fontanelli nach Mexiko kommen würde, steht erst seit ein paar Tagen fest und war nur einem kleinen Kreis bekannt«, sagte McCaine. »Soweit ich weiß, geht die Polizei davon aus, dass es sich um eine spontane Straftat handeln könnte.«
»Werden Sie Lösegeld zahlen?«, rief jemand.
»Bis zu welcher Höhe?«, wollte ein anderer wissen.
Blitzlichter blitzten, Diktafone wurden emporgereckt. McCaine blickte eine Weile dumpf brütend ins Leere, ehe er antwortete. »Wir werden«, sagte er, »sicherlich alles Menschenmögliche tun, um Mister Fontanelli unversehrt frei zu bekommen, sollte er sich in den Händen von Entführern befinden. Im Moment wissen wir aber, wie gesagt, nichts Definitives.«
»Es soll einen Zeugen geben, der gesehen hat, dass Mister Fontanelli gerannt ist«, kam ein Einwand. »Was sagen Sie dazu? Ist er möglicherweise geflüchtet?«
McCaine hob entschuldigungsheischend die Hände. »Ich kann dazu gar nichts sagen. Ich war nicht dabei.«
»Was ist, falls Mister Fontanelli tot ist? Wer würde das Vermögen erben?«, kam ein Ruf aus dem Hintergrund des Saales.
»Ja, genau? Wer erbt?«, rief ein anderer, und ein allgemeines Geschrei setzte ein, als habe jeder nur auf diese Frage gewartet, aber niemand gewagt, sie zu stellen.
McCaine sah finster in die Runde und wartete, bis wieder einigermaßen Ruhe eingekehrt war. »Sie können davon ausgehen, dass alle erbrechtlichen Fragen hinreichend geklärt sind«, sagte er dann. »Aber ich fände es zum gegenwärtigen Zeitpunkt mehr als geschmacklos, hierzu detaillierte Überlegungen anzustellen oder Erläuterungen abzugeben.«
Er hielt es für unnötig, zu erwähnen, dass er seinen Flug nach Mexiko erst angetreten hatte, nachdem einer der bedeutendsten Rechtssachverständigen Großbritanniens Johns handschriftliches Testament eingehend geprüft und versichert hatte, dass es ohne Zweifel als gültig anerkannt werden würde.
Das Warten zehrte an den Nerven. Wenn er gekonnt hätte, wäre er unablässig in der Zelle auf und ab getigert, aber das ließ die Kette nicht zu. Wenn er die wenigstens los geworden wäre! Als ihm der Unbekannte zu essen brachte, bat er, das Gesicht folgsam in die stinkende Matratze gepresst, sie ihm abzunehmen, aber der Mann schien das nur amüsant zu finden. Nachher betrachtete er die Tür seiner Zelle und verstand, warum: Wäre er nicht angekettet gewesen, er hätte sie mit einem Fußtritt aufbrechen können, und dieser Fußtritt hätte weder besonders kräftig noch besonders laut sein müssen.
So stand er stattdessen alle paar Minuten auf, stellte sich an die Rohrleitung, presste sein Ohr auf das Metall und lauschte, bis ihm Rücken und Nacken lahm wurden und er sich lieber wieder hinsetzte. Die meiste Zeit hörte er nur den Fernseher. Der schien überhaupt den ganzen Tag zu laufen. Zuckrige Musik wechselte sich ab mit den sentimentalen oder übertrieben aufgeregten Dialogen einer billigen Fernsehserie, dazwischen Nachrichten, von einem Sprecher in maschinengewehrartigem Stakkato vorgetragen. Ab und zu waren Küchengeräusche zu hören, das Klappern von Topfdeckeln etwa oder das Hacken von Zutaten auf einem Holzbrett. Bisweilen unterhielten sich ein paar Leute, immer Männer, mit dunklen, tiefen Stimmen, und diese Unterhaltungen klangen ausgesprochen gelangweilt. Die Männer sprachen Spanisch, doch nicht einmal, wenn John diese Sprache beherrscht hätte, hätte er ein Wort verstanden, so verschliffen und vernuschelt war ihre Sprechweise.
Immer, wenn er sich wieder hinsetzte, sagte er sich, dass er es genauso gut lassen konnte, zu lauschen, denn nichts von dem, was er hörte, erlaubte ihm den geringsten Rückschluss darauf, was vor sich ging oder was die
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