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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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geschüttelt, ließ es aber wohlweislich. Woher hatten die Entführer Ursulas Namen gekannt? Rätselhaft. Aus der Zeitung womöglich. Zwar mochte sein kurzes Intermezzo in Deutschland unbemerkt geblieben sein, aber er war eine öffentliche Person, und sein Privatleben war von öffentlichem Interesse. Nur wenn man die paparazzi mal wirklich brauchte, waren sie nicht da. Wie jetzt.
    Eine gänsehauterregende Bewegung auf dem dunklen Boden ließ ihn unwillkürlich die Beine anziehen. Da bewegte sich etwas. Mit angehaltenem Atem beugte er sich vor und entdeckte einen dicken Kakerlak, der auf ihn zukrabbelte, dunkelbraun, handtellergroß und unheimlich unter seiner fühlerbewehrten Panzerung. John zerrte sich rasch einen Schuh vom Fuß, nahm ihn mit beiden Händen und schlug nach dem Vieh, hatte auch den Eindruck zu treffen, aber der Kakerlak, anstatt anständig zerschmettert am Boden kleben zu bleiben, machte nur kehrt und huschte in den Mauerspalt zurück, aus dem er vermutlich gekommen war. Bei der Vorstellung, dass das Insekt womöglich über ihn hinweggekrabbelt war, während er bewusstlos dagelegen hatte, wurde John ganz anders.
    Er lehnte sich wieder gegen die Wand, schloss die Augen, spürte dem dumpfen, pulsierenden Schmerz in seinem Schädel nach und wünschte sich weit fort, an einen anderen Ort, in ein anderes Leben. Dabei musste er kurz eingenickt sein, im Sitzen, denn das plötzliche Geräusch näher kommender Schritte ließ ihn auffahren.
    Es klopfte gegen die Tür. »Hola!«, rief eine Stimme. »Du wach?«
    John verzog das Gesicht, was sich sofort in Form von Schmerzen rächte. »Nicht wirklich.«
    »Hinlegen. Gesicht auf Matratze. Nicht schauen, sonst wir dich töten. Hinlegen – ­ndele, ­ndele! «
    »Ja, schon gut«, rief John und tat wie geheißen. Die Matratze stank erbärmlich. Vermutlich war sie durchtränkt vom Angstschweiß zahlloser Entführungsopfer.
    Er hörte, wie ein Riegel zurückgezogen wurde, hörte Schritte und ein schabendes Geräusch, dann schlug die Tür wieder zu, mit einem labberigen Klang, so, als bestünde sie nur aus Presspappe, und der metallene Riegel wurde wieder vorgelegt.
    Schritte entfernten sich. Stille.
    Vermutlich hieß das, dass er sich wieder rühren durfte. John sah langsam hoch. Ein Teller stand da mit einem Stück Brot und daneben eine Blechtasse, aus der es nach so etwas wie Kaffee roch; ein wahrer Wohlgeruch in diesem muffigen Verlies.
    Und, ja, er hatte Hunger. Überhaupt fühlte er sich, wenn man von den Kopfschmerzen absah, gut. Ausgeschlafen. Als habe er tagelang geschlafen. Genau konnte er es nicht sagen, da seine Uhr, die eine Datumsanzeige gehabt hatte, verschwunden war.
    Er holte sich Teller und Tasse. Der Kaffee war passabel, mit Milch und Zucker, und das Brot schmeckte frisch. So viel Komfort würde sich zweifellos in der Höhe der Lösegeldforderung niederschlagen, aber immerhin wurde einem etwas geboten für sein Geld. Überhaupt wirkte alles eigentümlich geschäftsmäßig; in der Stimme des Unbekannten und in seinem Verhalten war nichts von Panik oder Ausnahmezustand zu spüren gewesen, eher so, als ginge er einfach seiner gewohnten täglichen Arbeit als Kidnapper nach.
    Entführt! Nicht zu fassen! Dabei war die ganzen Jahre nie etwas vorgefallen. Die Leibwächter hatten ihn überall begleitet, aber nie mehr zu tun bekommen, als ihm ab und zu einen Weg zu bahnen, wenn Reporter oder Schaulustige allzu aufdringlich wurden. Er hatte sich nie wirklich gefährdet gefühlt, schon gar nicht, seit er mit Ursula ausgebüxt und alles gut gegangen war. Aber das war wohl nur Glück gewesen. McCaine hatte Recht gehabt, wie üblich.
    Als er den Teller abstellte und seine Kette wie schon die ganze Zeit auf dem Metall des Rohrs klackerte, sah er auf und musterte die dicke Leitung nachdenklich. Das Geräusch, das seine Kette verursachte, musste weiter oben laut und deutlich zu hören sein. Hatten sie auf diese Weise bemerkt, dass er wach geworden war? Bestimmt. Und hatten sofort das Kaffeewasser aufgesetzt.
    John stand auf, bemüht, keine weiteren Kettengeräusche zu machen, und stellte sich vor das Rohr. Was in die eine Richtung ging, musste auch in die anderen Richtung funktionieren, oder? Er legte sein Ohr gegen das kühle Metall, presste es sorgsam an und hielt sich – was nicht ganz einfach war mit den Handschellen – das andere Ohr zu.
    Tatsächlich. Er hörte einen Fernseher dudeln, sentimentale Musikschnipsel und die sonore Stimme eines Moderators, hörte

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