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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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jemanden mit Küchengerätschaften hantieren und die Melodien in größter Gelassenheit mitpfeifen. Das Rohr war das reinste Abhörgerät. Ein Telefon klingelte, wurde abgenommen, und jemand sprach in melodischem, aber unverständlichem Spanisch.
    Auf Dauer war die zum Lauschen notwendige Körperhaltung allerdings anstrengend, und da er ohnehin kein Spanisch verstand, brachte es ihm wenig mehr als einen allgemeinen Eindruck der Lage. Die so klang, als hätten die Entführer alles unter Kontrolle. Er setzte sich wieder und widmete sich der Beobachtung des Spalts, in dem der Monsterkakerlak wohnte.
    Zwischendurch schlief er ein, wurde für eine weitere Mahlzeit geweckt, die aus Bohnen mit ein wenig Fleisch bestand und einem Becher Wasser. »Seien Sie geduldig«, beschied ihn der Unbekannte unaufgefordert, während er ihm das Essen hinstellte und das Geschirr vom Frühstück mitnahm.
    Die Zeit zu verdösen erwies sich als die beste Möglichkeit, diesen Ratschlag in die Tat umzusetzen. Nach und nach erlosch das Leuchten im Fensterspalt zu einem abendlichen Glimmen. Ehe es völlig dunkel wurde, überwand John sich notgedrungen und urinierte in den Eimer, den er anschließend so weit wie möglich von der Matratze wegstellte.
    Er lauschte noch einmal. Im Fernsehen lief eine amerikanische Serie, vermutlich spanisch untertitelt, irgendein Krimi, in dem es um die entführte Tochter eines Multimillionärs ging. Das war ja fast schon als Weiterbildungsmaßnahme zu verstehen, überlegte John, als er sich zum Schlafen hinlegte. Aber anstatt zu schlafen, starrte er nur in die konturlose Finsternis und horchte auf einen möglichen Anmarsch einer Horde Kakerlaken.
    Irgendwann musste er dann doch eingeschlafen sein, denn auf einmal erwachte er, und es war Tag. Und keine Kakerlaken um ihn herum. Er erhob sich, ohne mit der Kette zu klappern, und lauschte. Der Fernseher lief ausnahmsweise nicht, stattdessen hörte er mehrere Männer miteinander reden, sehr entspannt, als säßen sie bei einem Kaffee zusammen und hätten nichts anderes zu tun als die Zeit herumzubringen.
    »Frühstück, por favor «, murmelte John und rasselte heftig mit der Kette.
    Doch dann kam kein Frühstück, sondern ein anderer Mann als am Tag zuvor, ein Mann, der sich nicht damit aufhielt, zu klopfen und ihm Anweisungen zu erteilen, sondern der einfach hereinkam. Ein Mann, der Englisch sprach, den Slang der amerikanischen Ostküste sogar.
    »Wir sind uns noch nie begegnet«, sagte er, »aber wir kennen uns.«
    John musterte den Mann skeptisch. Er hatte ein aufgedunsenes, grobschlächtiges Gesicht, auf dem eine schlimme Jugendakne ihre Spuren hinterlassen hatte, und dichte Körperbehaarung quoll ihm aus dem Kragen und unter den Ärmeln hervor. Eine unsympathische Erscheinung. Jemand, auf den zu kennen John keinen Wert gelegt hätte.
    Dann fiel es ihm wieder ein. Ja, er hatte diesen Mann in der Tat schon einmal gesehen. Mit einer etwas anderen Frisur. Auf einem Fernsehschirm.
    »Bleeker«, sagte er. »Sie sind Randolph Bleeker.«
     
    Es war später nicht mehr zu rekonstruieren, wie die Gerüchte in Umlauf gekommen waren. Die Beamten der mexikanischen Polizei, die in die Sonderkommission berufen worden waren, hatte man auf strengstes Stillschweigen verpflichtet, und die abschließende interne Untersuchung des Falles fand keinen Grund zu der Annahme, dass einer von ihnen die undichte Stelle gewesen war. Trotzdem landeten plötzlich Kamerateams ausländischer Fernsehsender auf dem Flughafen von Mexico City, kamen Anfragen per Fax und Telefon, wollte alle Welt wissen, was dran war an der Behauptung, John Salvatore Fontanelli sei entführt worden.
    Die Konzernzentrale von Fontanelli Enterprises in London verweigerte jeden Kommentar. Die Polizei von Mexico City lehnte jede Stellungnahme ab. Das Gelände der Universidad Nacional Aut­noma de M­xico wimmelte plötzlich von Menschen mit Kameras und Mikrofonen.
    »Es hört überhaupt nicht mehr auf«, beschwerte sich eine der Sekretärinnen bei McCaine. »Jetzt rufen sie sogar schon von unseren eigenen Fernsehstationen an. Was soll ich denen denn sagen?«
    »Nichts«, erwiderte McCaine. Er klappte stirnrunzelnd einen schmalen Ordner zu und schob ihn in eine Schublade. »Sagen Sie alle meine Termine für die nächsten fünf Tage ab, und buchen Sie mir einen Flug nach Mexico City.«
     
    »Was soll das hier?«, fragte John. »Ist das jetzt die Rache, weil das Manöver mit meinem Bruder damals nicht funktioniert

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