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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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kollerte seine Lungen empor. Was hatte der Padrone doch für ein Glück gehabt, nach einem langen Leben in Frieden zu sterben, in dem beruhigenden Glauben, seine Mission erfüllt zu haben – und rechtzeitig genug, um nicht miterleben zu müssen, wie grässlich er sich geirrt hatte.
    Ursula hatte es ihm gesagt, die ganze Zeit. Sein Glaube an die Prophezeiung war nichts weiter gewesen als die bequeme Ausrede dafür, keine eigenen Entscheidungen treffen zu müssen. Denn das hätte geheißen, Verantwortung tragen zu müssen. Es war so bequem zu sagen: Gott will es. Egal, was geschah, man trug keine Schuld. Eine tolle Sache für alle Feiglinge.
    John starrte die blasse Tür an, durch die seine Mörder kommen würden, und spürte, wie dieser Glaube noch vor ihm starb, wie er aufloderte und verlosch und wie nicht einmal Asche übrig blieb. Sagte man nicht, dass im Angesicht des Todes das ganze Leben noch einmal an einem vorüberzog? Er sah alle Etappen seines Lebens noch einmal in schmerzhafter Klarheit und auch, wie er immer nach jemandem gesucht hatte, der ihm sagte, was er tun sollte. Seine Eltern. Seine Brüder. Er war von zu Hause ausgezogen, weil Sarah es gewollt hatte. Von Marvin hatte er sich raten lassen, den Job bei Muralis Pizzaservice anzunehmen. Cristoforo Vacchi hatte ihm gesagt, dass er eine Bestimmung habe, und Malcolm McCaine hatte gewusst, wie diese Bestimmung zu erfüllen war. Nur auf Ursula hatte er nicht gehört.
    Verdammt, sogar dass er mit Constantina ins Bett gegangen war, hatte Eduardo für ihn bestimmt. Und Ursula? Ursula hatte gewollt, dass sie ohne Geleitschutz nach Deutschland fuhren, und er hatte gehorcht.
    Die Tür rührte sich nicht. Keine Schritte. Seine Mörder kamen nicht.
    Er sah das Rohr an und beschloss, nicht mehr zu lauschen. Er wollte nicht hören, dass womöglich niemand mehr da war. Er wollte nicht wissen, dass sie geflüchtet waren und ihn zurückgelassen hatten, damit er hier umkam und nie gefunden wurde. Er blieb sitzen, starrte in das dämmrige Licht und hörte auf, über sein Leben nachzudenken, hörte überhaupt auf, zu denken, starrte nur vor sich hin und tat nichts mehr außer zu atmen. Die Zeit blieb stehen, das Licht wurde dunkler und erlosch, und da endlich kamen die Schritte.
    Das Klopfen an der Tür. » Hola? Du wach?«
    »Ja«, sagte Johns Stimme.
    »Du hinlegen. Gesicht auf Matratze.«
    Auch das. Er hatte sein Leben lang auf andere gehört, warum nicht auch im Tod. Also legte er sich auf den Bauch, schloss die Augen und ergab sich in das Unausweichliche.
    Die Tür wurde geöffnet, und diesmal waren es mehrere Männer, die hereinkamen. Eine Hand tastete nach seinem Kopf. John spürte ein Zittern tief in sich, biss die Zähne zusammen, nur nicht um Gnade winseln! Da, mit einem Ruck, wurde ihm etwas über den Kopf gezogen, jemand riss ihm die Arme auf den Rücken und fesselte sie aneinander, dann richteten ihn starke Arme auf. »Mitkommen«, sagte der Unbekannte.
     
    Sie führten ihn eine Treppe hinauf, durch einen Flur, in dem er sich die Schulter an einem Möbelstück stieß, warnten ihn vor einer Schwelle, hinter der es ein paar Stufen abwärts ging, in einen Raum, der durch die Maske hindurch nach Holzspänen und Dieselöl stank. Eine Garage offenbar, denn sie hoben ihn hoch wie Spielzeug und stopften ihn in den geräumigen Kofferraum eines Autos. Er hörte noch, wie ein Tor geöffnet wurde, dann ließ jemand dröhnend den Motor an, und die Fahrt ging los.
    Sie fuhren endlos, und jeder Versuch, sich etwa den Weg zu merken oder auch nur, wann rechts und wann links abgebogen wurde, war hoffnungslos. Zudem drangen von irgendwoher Abgase in den Kofferraum, die ihm so übel werden ließen, dass er alle Kräfte darauf richten musste, nicht im Inneren des Stoffsacks zu erbrechen, der seinen Kopf bis zum Hals einhüllte.
    Endlich hielten sie an. Jemand stieg aus, kehrte nach einer Weile zurück und schwang sich wieder auf den Sitz, dann wendete der Wagen und fuhr ein Stück rückwärts, über holprigen Grund. Der Kofferraum wurde geöffnet. Man schnappte seine Beine und fesselte sie auch noch, mit einem Draht, der hart in die Haut einschnitt. John protestierte, aber man schien ihn nicht einmal zu hören, sondern packte ihn, hob ihn heraus, trug ihn ein Stück und warf ihn dann in hohem Bogen fort.
    John schrie auf. Er landete verhältnismäßig weich, auf einem Untergrund, der sich wie Lumpen und zerknülltes Papier anfühlte, vermischt allerdings mit harten und spitzen

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