Eine Braut für alle
Mühe gekostet, Ophelias Telefonnummer zu erfahren. Ich hatte Basil an jenem Nachmittag in Razzys Ordination eine Laboratoriumsprobe abgenommen, und da er den Mitternachtszug erwischen mußte, um in Blackport zu proben, schlug er vor, ich solle seiner Braut das Resultat telefonisch mitteilen. Am nächsten Morgen kamen Ophelia und ich auf diesem Wege ins Plaudern, und so lud ich sie auf einen kleinen Weihnachtstrunk ein, und am nächsten Tag zum Lunch, und am übernächsten zum Dinner, und bald machten wir die Runde bei den Nachtklubs, und jetzt war ich bereits soweit, daß ich den Boden anbetete, in den sie ihre spitzen Absätze grub.
Und die ganze Zeit tauchte Basil aus Bühnenversenkungen auf, um «Abrakadabra!» zu murmeln. Ich kam mir wirklich wie ein gemeiner Kerl vor.
«War vielleicht nicht sehr nett von mir, diese Bemerkung zu machen», lenkte Miles ein. «Vor allem im Hinblick auf diese weihevolle Zeit des Jahres.»
«Ach Gott», kam ich ihm entgegen. «Schließlich haben wir Grimsdykes alle unser Ehrgefühl im Leibe. Selbst unser alter Opa, der solche Schwierigkeiten mit dem Dienstpersonal hatte, wo er doch fortwährend im Dachgeschoß hinter den Hausmädchen her war.»
Nun hielt mich auch Miles für einen gemeinen Kerl, was ich ihm nicht übelnehmen konnte. Mein Cousin war ein reizbarer Geselle mit strengen Grundsätzen, in der Familie galt es als ausgemacht, daß er meinen Anteil an Intelligenz-Erbmasse mitbekommen hatte, und unsere Beziehungen hatten seit dem Tage gelitten, da er mich in der Schule durchprügelte, weil ich seine Kricketschuhe mit Sirup angefüllt hatte. Zugegeben, er war etwas freundlicher geworden, seit er dem Spezialistenstab des St. Swithin angehörte und sämtliche schmückenden Zutaten eines aufstrebenden jungen Londoner Chirurgen errungen hatte - einen neuen Alvis, ein Messingschild in der Welbeck Street, ein nettes Frauchen, Löschmappen auf einem halben Dutzend Komiteetischen, und sogar die Ehrung, daß eine etwas unappetitliche Krankheit nach ihm benannt wurde.
«Zumindest hab ich dazu beigetragen, daß der Ruf der Familie weiterhin so unbefleckt ist wie ein Eisbär im Schneesturm», führte ich zu meiner Verteidigung an.
«Das entspricht durchaus der Wahrheit, Gaston. Und bestimmt wäre niemand glücklicher als Connie und ich, wenn es dir endlich gelänge, dir ein eigenes Heim zu schaffen.» Miles griff nochmals nach der Portweinkaraffe. «Vor allem jetzt, nach dem Schreiben des Premierministers, das ich letzte Woche erhielt.»
Ich blickte auf. «Großer Gott! Er fordert dich doch nicht auf, dich als Kandidat fürs Parlament aufstellen zu lassen?»
«Ach wo!» sagte Miles, doch diese Vorstellung schien ihm gar nicht so zu mißfallen. «Er fordert mich auf, im neuen Jahr der Wincanton-Kommission beizutreten.»
Ich überlegte rasch, ob das die sei, die sich mit der Untersuchung der Zustände in den Strafanstalten zu befassen hat.
«Die königliche Kommission zur Überwachung der öffentlichen Moral», erklärte Miles; er wirkte sehr selbstzufrieden unter seinem Papierhut. «Selbst du wirst wohl einräumen müssen, daß dies eine große Ehrung bedeutet. Es wird zwar, wie ich fürchte, eine harte Arbeit sein. Wir müssen uns Nacktdarbietungen ansehen, mit Frauen der niedrigsten Sittlichkeitsstufe in Kontakt kommen und einige der anrüchigsten Kneiplokale Londons aufsuchen.»
Mir klang das alles recht munter, doch eingedenk dessen, wie ernst Miles selbst als Medizinstudent seine Wohlfahrtsarbeit genommen hatte, beglückwünschte ich ihn mit schlichten Worten.
«Ich würde ganz besonderen Wert darauf legen, in diesem Amt Erfolg zu haben», fuhr Miles fort, mehr zu sich selbst sprechend. «Wer weiß, wohin das alles noch führen könnte? Man könnte Dekan des Spitals werden... Rektor der Universität... Pair auf Lebenszeit...»
Der Kerl war natürlich voll des Portweins.
«Wie ich höre, hast du’s übernommen, Sir Lancelot Spratts Biographie zu schreiben?» fügte er, sie ermahnend, hinzu.
«Ja, ich gehe sogar morgen zu ihm, um mit dem Sortieren des Materials zu beginnen. Der Alte hat soviel zu tun, daß er sich offenbar nur am zweiten Weihnachtstag ein bißchen Zeit abknappen kann.»
Die Aufgabe, Sir Lancelots Biographie zu schreiben, war mir durch einen kürzlich erschienenen Roman meiner Feder eingetragen worden, der sich eines bescheidenen Erfolges unter allen jenen erfreute, die sich noch kein Fernsehgerät leisten konnten. Basil hatte selbstverständlich nichts
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