Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)
verabschieden. Mit jeder Minute werde ich wütender und betrunkener. In regelmäßigen Abständen erschallen das falsche, klirrende Lachen und das herzhafte Röhren.
Alex Christian ist auffällig ruhig, obwohl von meinem Platz aus schwer zu beurteilen ist, ob er von den zweien absichtlich oder unabsichtlich ausgeschlossen wird, oder ob er es so will. Schließlich kehrt Richard an unseren Tisch zurück. Er schnurrt wie eine zufriedene Katze.
»Nettes Paar. Eine Schande, dass wir den Kontakt verloren hatten. Wir müssen sie mal zum Essen einladen.« Er greift nach ihrer Visitenkarte, die neben meinem leeren Glas liegt, und lässt sie in der Brusttasche seines Sakkos verschwinden.
Bei Katherine und Alex Christian drängt sich das Thema Essen geradezu auf.
Sie ist zum Kotzen, er zum Anbeißen.
Ich rotte jede Spur meiner Identität aus, indem ich mich entspanne und an Richard Gere in einer weißen Uniform denke. Er trägt mich ins Schlafzimmer, ohne zu murren – mich und meine vierundsechzig Kilo. Er legt mich auf das breite Bett und bewundert meinen prachtvollen Körper (Cellulite existiert nicht auf Zelluloid). Er beugt sich vor, um mich zu küssen. Seine Züge verschwimmen. Er wird zu dem vertrauten Unbekannten mit dem unsichtbaren Gesicht und der leidenschaftlichen Umarmung. Ist diese Traumgestalt derjenige, nach dem ich suche? Wie soll ich einen Gesichtslosen wiedererkennen? Ich öffne die Augen, und ein leibhaftiger Richard zittert einen Moment lang über mir wie ein hartnäckiger Terrier, der einen Setter besteigt.
Er erstarrt, seufzt und verschwindet aus meinem Blickfeld. Innerhalb weniger Sekunden ist er eingeschlafen. Ich bleibe zurück und schnappe frustriert nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Es mag verrückt sein, etwas Gutes aufzugeben, doch sicher ist es vollkommen irre, an etwas Schlechtem festzuhalten.
Ich greife nach dem Glas Wein neben meinem Bett. Ich rauche nicht, also gönne ich es mir, gelegentlich zu viel zu trinken. Heute ist so eine Gelegenheit. Allmählich fühle ich mich wieder umwerfend mutig und frei. Ich bin bereit, die Fesseln der Langeweile und Angepasstheit abzustreifen und zur Freiheit zu streben.
Zu Richard-freier Freiheit.
Ich sehe zu ihm hinüber, auf sein Gesicht, das so verwundbar im Schlaf aussieht. Empfand ich früher bei diesem Anblick Zärtlichkeit, so bin ich jetzt nur noch angeödet. Richard ist eine schlechte Angewohnheit, und ich bin entschlossen, mich davon zu befreien. Ich schnappe mir meine allseits präsente Handtasche, die neben dem Bett steht. Ich habe weder Stift noch Papier, also behelfe ich mich mit einem Kassenzettel und einem dunkelrosa Lipliner.
Ich bin mir nicht sicher, was ich schreiben soll. Nachdem ich mein Sprüchlein Wochen lang im Geiste geübt habe, ist mein Hirn ziemlich leer. Nur über eines bin ich mir in diesem Durcheinander hundertprozentig sicher: Richard und ich sind nicht dazu bestimmt, den Rest unseres Lebens miteinander zu verbringen.
Ich hatte mir einen wundervollen Vortrag über verschiedene Werte und eine bessere Zukunft für uns beide zurechtgelegt, wenn wir getrennte Wege gehen, aber das kommt mir in diesem Augenblick viel zu abgedroschen vor. Und viel zu freundlich.
Es ist typisch Frau, aber auch ich nehme immer die Schuld für alles, was schief läuft, auf mich und entschuldige mich überschwänglich für jede Unannehmlichkeit. Ich bin netter, wenn ich nüchtern bin, doch im Augenblick bin ich alles andere als nüchtern, dafür aber bereit, meine schlechten Eigenschaften zu übersehen und die ganze Banalität unserer Beziehung ihm anzulasten, ob das nun fair ist oder nicht.
Du bist ein kleiner Schlaffi, Richard. Leb wohl.
Dieser Abschiedsbrief ist kurz, aber erfreulich durchtrieben. Ich lese die Zeile noch einmal und kichere, aber nicht zu laut, schließlich will ich ja unseren schlafenden kleinen Rüpel nicht aufwecken. Leise stehe ich auf und tappe auf meinen Achtunddreißigersohlen über den fickfreundlichen Teppich. Richards Schlafzimmer ist prunkvoll, doch unpersönlich. Beherrscht wird es von dem überdimensionalen, ovalen Bett, das mitten im Zimmer auf einer Art Podest steht, auf dem man normalerweise einen Thron erwarten würde.
Es hat mich immer gewundert, dass er keine verspiegelte Decke hat. Er ist ein Mann für Spiegeldecken. Er kann an keinem Schaufenster vorbeigehen, ohne sein eigenes Spiegelbild begutachtet und sich selbstgefällig zugelächelt zu haben. Andererseits ist er ziemlich orgasmusgeil.
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