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Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
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meiner Ankunft. Heute war ich mit Wass[ili] Iwan[owitsch] 63 der Pachtangelegenheiten wegen in Patrowka und Gawrilowka und unterhielt mich lange mit den Molokanen, natürlich über die Gebote Gottes. Soll es doch den Behörden hinterbracht werden. Ich meide den Umgang mit ihnen, doch wenn ich mit ihnen zusammentreffe, kann ich mich nicht enthalten zu sagen, was ich denke. [...] Ich halte mich an Dein Gebot nicht zu arbeiten, I hope 64 ..., doch ich würde es so gern. Und ich wüßte so gern, wie es Euch wohl ergehen mag, bei Eurem komplizierten und tosenden Leben (im Vergleich zu dem unsrigen). [...] Diesen Brief schicke ich mit einem Boten nach Samara, vor allem, um Deine Briefe zu erhalten. Du kannst daraus den Grad meiner Besorgtheit ablesen. Ich umarme Dich, mein Herz, und küsse alle.
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    7. Juni [1883]
    [Jasnaja Poljana]
    Lieber Ljowotschka, heute habe ich wieder einen Brief von Dir erhalten. Hinsichtlich Deiner Gesundheit bin ich nun ganz ruhig,doch Deine Gespräche mit den Molokanen bekümmern mich mindestens ebenso wie Deine Gesundheit. Was ist das denn für eine Grille, sich auf derartige Gespräche einzulassen, Du weißt doch, daß Du unter Beobachtung durch die Behörden stehst! Du wirst Dir und mir auf diese Weise nur Verdruß und Elend bereiten, glücklicher wird dessentwegen niemand auf der Welt. Es rührt mich sehr, daß Du unseretwegen so besorgt bist. [...] Du hast mich an Deinen überraschenden, kühlen Abschied erinnert; ich hatte das bereits vergessen. Du hast sogar vergessen, Dich von mir zu verabschieden. Du bist abgefahren, und ich weinte. Doch dann schüttelte ich allen Kummer von mir ab und sagte mir: »Er braucht mich nicht – dann eben nicht, so werde auch ich versuchen, frei von allen Gefühlen zu sein.« Und gleich war mir Deine Abreise nicht mehr so schwer, wie einst; [...]
    Mit Trauer denke ich bisweilen: Du wirst zurückkommen, und wir alle werden froh sein, Dich wiederzusehen – und dann wird es Dir und deshalb auch mir hier wieder schwer werden, da das Leben, welches uns normal, ja sogar gut und glücklich scheint, Dich plagt. – Immer das gleiche: wieder das Croquet an den Abenden, die Ausfahrten, die Spaziergänge, das Baden und die Plauderei, das Erlernen der griechischen, russischen, deutschen, französischen Grammatiken an den Vormittagen, das Sichfeinmachen zum Essen, das Schneidern, usw. usf. Für mich ist dies alles von der Schönheit des Sommers und der Natur erfüllt, vom Gefühl der Liebe und Pflicht den Kindern gegenüber, vom Glück der Lektüre (ich lese gerade Shakespeare), der Spaziergänge und von vielem mehr. Du aber kannst damit bereits nicht mehr leben – und dies ist traurig, überaus traurig. Ich bitte Dich bei Gott, fasse dies nicht als Vorwurf auf; ich kann die ganze Tragik Deiner Situation nachempfinden, und deshalb schätze ich es hoch und bin Dir dankbar, daß Du Dich derart mit der Wirtschaft aufreibst, die Dir doch so zuwider ist, um mir und den Kindern etwas Gutes zu tun.
    [...]
    Ich kümmere mich viel um die Unglückseligen aus dem einfachen Volk. [...] Heute morgen kam ein Bettler, ihn anzuschauen war furchtbar, so sehr hatte ihn das Krim-Fieber ausgezehrt. Ich gab ihm Chinin und etwas Geld, doch er bot einen solch mitleiderregenden Anblick und wirkte keineswegs wie ein Betrüger, daß ich noch mehr helfen möchte. Ich werde an Knerzer schreiben und fragen, ob man ihn nicht unentgeltlich im Krankenhaus behandeln könne. – Ich habe hier so viele Kranke zu behandeln, Ljowotschka, es ist ein Graus! Ich bin eine richtige Ärztin geworden und denke ernsthaft darüber nach, im Winter einen Kurs der Medizin zu besuchen. Einen Kurs der Praktischen Medizin, sagt M-lle Gerke, gibt es in Petersburg, er ist erschwinglich, ich weiß nicht, ob in Moskau auch ein solcher Kurs angeboten wird. [...]
    Unser Dorf wird langsam wieder aufgebaut, der eine oder andere erbat Bauholz, ich gab allen; doch alle bitten maßvoll, ja sogar wenig.
    Lebe nun also wohl, liebster Freund, sei bemüht, Dich nicht zu beunruhigen, laß die Gespräche mit den Molokanen sein und verdirb Dir nicht Dein geruhsames Leben dort mit allzuviel Plackerei in Wirtschaftsangelegenheiten. [...] Es scheint, ich habe alles berichtet und schließe nun. Tanja läßt Dich grüßen.
    S.
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    15. Juni [1883]
    [Landgut im Gouvernement Samara]
    Gestern in der Nacht des 15. erhielt ich Dein

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