Eine Ehe in Briefen
ausbrechen, ich halte es einfach nicht aus! [...] Doch ich will mich nicht allzusehr beschweren. Er tut mir ja auch leid. [...] Ich bin froh, daß es Dir in Jasnaja wohl ergeht, passe nur gut auf Deinen Magen auf. Lebe wohl einstweilen. Meine Briefe sind allzu lang und allzu nichtssagend. [...] Grabe bitte im Tschepysh drei oder vier junge Eichen aus, und bringe sie mit, damit ichsie hier im Garten pflanzen kann (aus Gründen der Sentimentalität). Hier haben wir ja keine Eichen. Nun ist das Papier vollgeschrieben. Ich küsse Dich.
S.
[Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
[3. Oktober 1883]
[Moskau]
Schon ist es tiefste Nacht, ich konnte nicht früher schreiben und den Brief noch absenden. Prjanischnikow 69 und Makowski 70 waren bei uns. Es war sehr angenehm, ja nachgerade heiter. Das Gespräch stockte nicht eine Minute. [...] Und da wir so viel über die Malerei sprachen, entstand in mir wieder der Wunsch, Zeichnen und Malen zu erlernen, doch ich weiß bereits jetzt, daß all meine flammenden Wünsche bald wieder erstickt werden von, erstens, all den Bürden mit den Kleinen, zweitens den mannigfaltigen Scherereien mit dem Brunnen, dem Leeren der Closetts, dem Kauf von Stiefeln usw. usf..
Du hast den Donnerstag als Tag Deiner Rückkehr bestimmt, so werden wir Dich also hier erwarten. [...]
Du bist unzufrieden mit meinen Briefen, aber was soll ich denn machen? In dieser Beengtheit der Kinderstube und mit den unverschämten Kinderfrauen – wer kann da fröhlich bleiben? Ich habe mit den Kinderfrauen für die drei Kleinen einfach kein Glück. Wie sehr bräuchten wir eine erfahrene, vertrauensvolle und warmherzige Njanja für sie. [...]
Ich gehe zu Bett. Letzte Nacht hatte ich Fieber. Ich dachte, dies sei in der monatlichen Unpäßlichkeit begründet, doch diese ist immer noch ausgeblieben – und zu meiner allgemeinen schlechten Stimmung kommt noch die übliche allmonatliche Angst vor einer Schwangerschaft. Ich bemühe mich, bis zu Deiner Rückkehr besserer Stimmung zu sein. [...]
Lebe wohl, lieber Ljowotschka, ich küsse Dich. Und warte jeden Tag auf einen Brief von Dir.
S.
3. Oktober.
Montag.
[Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
[13. November 1883]. Sonntag, 10 Uhr.
[Jasnaja Poljana]
Bei mir ist es warm, gemütlich, still und wundervoll; doch ich habe mich wohl überarbeitet. Ich finde keinen Schlaf, habe keinen Appetit, und deshalb ist es mit der Arbeit nichts. Darum erhole ich mich. Heute habe ich mich gar nicht an den Schreibtisch gesetzt, sondern ritt Urussow entgegen. Und war in der Bäckerei, wo ich am Donnerstag Brot kaufte und den Handschuh meines Sohnes Serjosha, den ich ihm stahl, vergaß. [...] Ich ritt schnell, kam in Tula an und fand dort den Handschuh, besuchte auf eine Minute [Leonid] Urussow und ritt wieder nach Hause [...]. Als ich dort ankam, war es bereits dunkel, und ich traf hier auf unseren neuen Popen, der sich vorstellen kam. Ich sprach ziemlich offiziell mit ihm und blieb allein mit einem riesigen Essen, das eigens für Urussow zubereitet worden war (der aber nicht kam, er hat Husten), und konnte zu allem Unglück kaum etwas essen. Es ist trostlos, allein zu essen.
[...] Es schneit ein wenig, wird aber wohl kaum stärker werden. Wie sehr wünschte ich mir, gut zu schlafen und morgen frisch ans Werk gehen zu können. Ich brauche nur noch 4 gute Arbeitsstunden, um alles zu schaffen, was ich möchte. Dein Brief ist recht kurz. Wenn es Dir keine Mühe macht, so schreibe doch ausführlicher. Mich interessiert alles. Ich küsse Dich und die Kinder.
[Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
Montag, den 14. [November 1883], am Abend.
[Moskau]
Gerade habe ich die Abschrift eines weiteren von Dir mit Korrekturen übersäten Bogens beendet. Ich habe auch nach der Korrektur Iwan Michailowitschs 71 noch einige Fehler gefunden und mich sehr an diesem Satz gestört: »Der Erlöser soll einzig Erlöser sein, d.h. einzig Erlöser«. Was soll denn diese Wiederholung einzig Erlöser aussagen? 72 Sie ist absolut nicht notwendig und verwirrt nur. Ich beriet mich mit Iwan Michailowitsch und Serjosha, und wir beschlossen, den Satz so stehenzulassen. Wenn er geändert werden soll, so telegraphiere bitte genau, wie. [...] Es ist furchtbar schade, daß Du Dich immer noch nicht an die Arbeit machen kannst. Vielleicht belebt es Dich, wenn morgen etwas Schnee fällt; hier hat es tüchtig geschneit, aber es ist nicht allzu kalt.
In Deinem Brief,
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