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Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
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Schule nicht, da der Priester sie nicht unterrichtet, sondern zu arbeiten nötigt.
    Ich begegnete ein paar Bauern, elf an der Zahl. »Woher?« – »Man schickte uns zum Ältesten, wegen des Pachtzinses, und jetzt müssen wir vors Kreisgericht.« Mit einer Alten kam ich ins Gespräch; sie erzählte, daß alle jungen Frauen, auch aus ihrer Familie, in der 8 Werst entfernten Fabrik arbeiteten. Schlechtigkeitallerorten, wie Urussow zu sagen pflegt. [...] Überall derselbe traurige Anblick: die heruntergekommenen einfachen Leute, die sich selbst überlassen sind, ohne jegliche Hilfe von seiten der Starken, Reichen und Gebildeten. [...] Als ob alle annähmen, daß es um alles bestens bestellt sei und es unmöglich und unnötig sei, sich in irgendeiner Weise einzumischen, daß es entehrend sei oder eine Don Quichotterie. Alles beim Besten – die Kirche, die Schule, die staatliche Verwaltung, die Industrie und die Vergnügungen, und uns, den höheren Kasten, steht es an, einzig an uns selbst zu denken. Doch wenn man sich selbst betrachtete, merkte man, daß diese höheren Klassen sich in noch traurigerem, erbärmlicherem Zustand befinden.
    Ich würde dem Fürsten gern »Über das Leben« zu lesen geben. Schicke bitte, so vorhanden, die russische Version, falls nicht, die französische 127 .
    Ich küsse Dich und alle Kinder.
    Schicke mir alle Briefe nach.
    L.T.
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    [28. März 1889]
    [Moskau]
    Zu unserer großen Freude erhielten wir zwei Nachrichten von Dir, liebster Freund, eine Postkarte und einen Brief sowie einen Brief des Fürsten. [...] Noch nie war ich derart gelassen bei einer Trennung von Dir. In meiner Seele bin ich immerfort bei Dir, und ungeachtet aller Zwistigkeiten weiß ich doch, sobald ich nur einmal tief in mich gehe, wie teuer Du mir bist und wie sehr ich Dich schätze und liebe. – Doch sei’s drum. Ich weiß nicht, weshalb sich dieses Bekenntnis mir entrungen hat, das Du doch gar nicht brauchst.
    Bei uns ist alles beim besten, bis auf meine Schmerzen beim Stillen – diese sind furchtbar. Die ganze Brust ist aufgequollen, sie brennt, ist verhärtet, es droht eine Entzündung, gegen dieich jedoch bereits energisch vorgehe. [...] Warum sich dies nun zum Ende des Stillens einstellt – ich begreife es nicht. Wanetschka ist wohlauf, und heute werde ich ihn zum ersten Mal baden. Gebe Gott, daß alles gutgeht.
    Ljowa ist schrecklich beschäftigt, die Proben haben begonnen. Tanja arbeitet weiterhin an dem Portrait und widmet sich dem Klavierspiel. Die Kleinen gehen in den Pfützen spazieren – alle drei. [...]
    Wie hoffnungslos ist doch Dein Brief mit seinem Blick auf die Menschen und auf Rußland! Doch Du hast ja recht; nicht umsonst sage ich, wenngleich halb im Scherz, in letzter Zeit stets: »Ich bin krank durch meine Abscheu gegen alles Russische.« Doch es ist nicht Abscheu, sondern [...] * , der einen erfaßt, wenn man auf all die einen umgebende [...] * blickt. Du hast stets sorgsam die Frage der Verpflichtungen gegen die Familie ausgelassen. Gäbe es diese Verpflichtungen nicht, die ich mir keineswegs ausdenke, sondern die mein ganzes Wesen bestimmen, so widmete ich mein Leben der Wohltätigkeit, um, wie Du sagst, nicht am Elend der niederen Klassen vorüberzugehen, sondern bemühte mich zu helfen, wo ich nur kann. Doch ich kann es nicht zulassen, daß aus unseren Kindern, die mir von Gott geschenkt wurden, ungehobelte und ungebildete Menschen erwachsen, während ich mich dem Wohl mir fremder Menschen widme. Vielleicht werde ich im Alter diesen meinen Traum erfüllen können.
* Textstelle im Original herausgerissen.
    Woran arbeitest Du? Brauchst Du niemanden für die Abschrift und die Korrekturen? Ich werde dies bereitwillig übernehmen, so Du es möchtest. Bitte verheimliche mir nicht, solltest Du krank werden, und mache keine Albernheiten, bei denen Du Dich erkälten könntest, ebenso wie Du Dich nicht überarbeiten und allzu schlecht ernähren solltest. Hast Du die Flanellunterwäsche mitgenommen?
    [...]
    Lebe wohl, lieber Ljowotschka, ich küsse Dich. Ich hoffe, bald einen Brief von Dir zu erhalten [...].
    S.T.
    28. März, abends.
    1889.
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    [29. März 1889]
    [Spasskoje]
    Gestern erhielt ich, liebste Freundin, einen noch traurigeren Brief von Dir. Ich sehe, daß Du körperlich und seelisch leidest, und ich fühle mit Dir: Ich kann nicht glücklich und ruhig sein, wenn ich weiß, daß es

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