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Eine Evatochter (German Edition)

Eine Evatochter (German Edition)

Titel: Eine Evatochter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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vor Erwartung brennenden Herzen erquickt. »Ich bin seit einer Stunde in der Hölle, und nun tut sich der Himmel auf,« sagten Raouls Augen. »Ich wußte, daß du da warst, aber bin ich frei?« sagten die Augen der Gräfin. Nur Diebe, Spione, Liebende, Diplomaten, kurz, alle Sklaven, kennen die Hilfsmittel und die Wonnen des Blicks. Nur sie wissen, wie viel Verständnis, Sanftmut, Geist, Zorn und Verbrechen im Wechselspiel dieses beseelten Lichtes liegt. Raoul fühlte, wie seine Liebe sich unter den Sporen des Zwanges bäumte, aber auch, wie sie beim Anblick der Hindernisse wuchs. Zwischen der Stufe, auf der er stand, und der Loge der Gräfin Felix von Vandenesse waren kaum dreißig Schritte, und doch konnte er diesen Abstand nicht aus der Welt schaffen. Dieser unüberschreitbare Abgrund, vor dem er festen Fußes stand, flößte einem leidenschaftlichen Manne wie er, der bisher zwischen Begierde und Genuß nur wenig Abstand gekannt hatte, das Verlangen ein, mit einem Tigersatz zu der Gräfin zu springen. In einem Anfall von Wut suchte er das Gelände zu erkunden. Er verbeugte sich sichtlich vor der Gräfin, die mit jenem leichten, geringschätzigen Kopfnicken antwortete, mit dem die Damen ihren Anbetern die Lust zu einer Wiederholung benehmen. Graf Felix drehte sich um, um zu sehen, wer seine Frau grüßte. Er bemerkte Nathan, grüßte nicht, drehte sich langsam wieder um und murmelte ein paar Worte, mit denen er zweifellos die gespielte Verachtung seiner Frau billigte. Die Logentür blieb Nathan offenbar verschlossen, und dieser warf Felix einen furchtbaren Blick zu. Diesen Blick hätte jedermann mit einem Wort Florines gedeutet: »Du, bald wirst du den Kopf nicht mehr hoch tragen!« Frau von Espard, eine der unverschämtesten Damen der Zeit, hatte aus ihrer Loge alles gesehen; sie rief laut ein paarmal Bravo. Raoul, der unter ihr stand, drehte sich schließlich um, grüßte sie und erhielt von ihr ein anmutiges Lächeln, das deutlich zu sagen schien: »Wenn Sie dort vertrieben werden, kommen Sie hierher.« Raoul verließ also seine Säule und kam zu Frau von Espard. Er hatte das Bedürfnis, sich dort zu zeigen, um dem kleinen Herrn von Vandenesse zu beweisen, daß Berühmtheit soviel wert ist wie Adel, und daß sich vor Nathan alle wappengeschmückten Türen in ihren Angeln drehten. Die Marquise nötigte ihn, ihr gegenüber, in der Vorderreihe der Loge Platz zu nehmen. Sie wollte ihn aushorchen.
    »Frau Felix von Vandenesse ist heute abend reizend,« begann sie mit einem Kompliment auf ihre Toilette, als handelte es sich um ein Buch, das er gestern veröffentlicht hatte.
    »Ja,« sagte Raoul gleichgültig. »Die Marabus stehen ihr ausgezeichnet. Aber sie ist ihnen sehr treu. Sie trug sie schon vorgestern,« setzte er etwas wegwerfend hinzu, um durch diese Kritik die holde Mitschuld zu entkräften, deren die Marquise ihn zieh.
    »Kennen Sie das Sprichwort?« fragte sie. »Ein rechtes Fest dauert zwei Tage.«
    Im Spiel geistreicher Dialoge sind die literarischen Berühmtheiten nicht immer so gewandt wie die Marquisen. Raoul beschloß, sich dumm zu stellen, der letzte Ausweg der geistreichen Leute. »Das Sprichwort trifft für mich zu,« sagte er, die Marquise galant anblickend.
    »Mein Lieber, Ihre Antwort kommt zu spät, als daß ich sie noch annähme,« entgegnete sie lachend. »Tun Sie nicht so spröde. Gehen Sie! Sie haben Frau von Vandenesse gestern morgen auf dem Ball in ihren Marabus reizend gefunden; sie weiß es, sie hat sie für Sie wieder angelegt. Sie liebt Sie: Sie beten sie an. Das geht zwar etwas rasch, aber ich finde das nur zu natürlich. Wenn ich mich irrte, so würden Sie Ihren einen Handschuh nicht drehn wie einer, der voller Wut neben mir sitzt, statt in der Loge seines Idols zu sein, wo er allerdings offiziell abgeblitzt ist, und der sich nun ärgert, daß er sich etwas zuflüstern lassen muß, was er gern laut hörte.«
    In der Tat drehte Raoul einen Handschuh in seinen Fingern und zeigte dabei eine auffällig weiße Hand. Frau von Espard blickte diese Hand mit der größten Unverfrorenheit starr an und versetzte:
    »Sie hat Ihnen Opfer abgerungen, die Sie der Gesellschaft nicht gebracht haben. Sie muß von ihrem Erfolg entzückt sein und wird sich gewiß etwas darauf einbilden, aber an ihrer Stelle wäre ich noch eingebildeter. Sie war nur eine geistreiche Frau, jetzt wird sie zur genialen Frau werden. Sie werden sie uns in einem köstlichen Buche schildern, wie Sie sie zu schreiben verstehen.

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