Eine Evatochter (German Edition)
Träger erschienen, um den ganzen Luxus der berühmten Schauspielerin fortzuschleppen, mußte sie laut lachen, als sie sah, wie die Leute diese Berühmtheiten wie große Möbelstücke ergriffen und sie auf den Fußboden legten. So gingen alle ihre Herrlichkeiten von dannen. Florine überlieferte alle ihre Erinnerungen den Kaufleuten, in deren Läden kein Vorübergehender ihnen ansehen konnte, wo oder wie diese Blüten des Luxus erstanden worden waren. Nach der Vereinbarung behielt Florine bis zum Abend ihre besonderen Habseligkeiten, ihr Bett, ihren Tisch und ihr Tischgerät, um ihre Gäste zu bewirten. Nachdem die Schöngeister unter den eleganten Vorhängen des Reichtums eingeschlafen waren, erwachten sie zwischen den kahlen, leeren Wänden des Elends mit ihren Nagelspuren und den wunderlichen Häßlichkeiten, die unter den Wandverkleidungen hervorkamen, wie die Strippen hinter den Operndekorationen.
»Florine, die Ärmste, ist ausgepfändet!« rief Bixiou, einer der Gäste. »Die Beutel heraus! Eine Subskription!«
Bei diesen Worten sprang alles auf. Alle Taschen wurden geleert und es kamen bare 37 Franken heraus, die Raoul lachend der lachenden Florine überbrachte. Die glückliche Kurtisane erhob den Kopf von ihrem Kopfkissen und wies auf ihre Bettdecke. Dort lagen Haufen von Banknoten, so dick wie in den Zeiten, wo die Kopfkissen der Kurtisanen jahraus jahrein ebensoviel einbrachten. Raoul rief Blondet.
»Ich verstehe,« sagte dieser. »Der Racker hat alles verramscht, ohne uns was zu sagen. Gut, kleiner Engel!«
Dieser Witz bewirkte, daß die Schauspielerin halb bekleidet von den wenigen Freunden, die noch da waren, im Triumph in das Eßzimmer getragen wurde. Der Advokat und die Bankleute waren fortgegangen. Am Abend hatte Florine im Theater einen rauschenden Erfolg. Das Gerücht von ihrem Opfer hatte sich im Saale verbreitet.
»Beifall für mein Talent wäre mir lieber,« sagte ihre Nebenbuhlerin im Foyer zu ihr.
»Ein natürlicher Wunsch bei einer Künstlerin, die bisher nur für ihre Gefälligkeit Beifall erhielt,« gab sie zurück.
Während des Abends hatte Florines Kammerzofe in der Passage Sandrié, in Raouls Wohnung, Quartier für sie gemacht. Der Journalist mußte in dem Hause nächtigen, in dem das Zeitungsbureau untergebracht war. Das war die Nebenbuhlerin der reinen Frau von Vandenesse. In seiner Phantasie schloß Raoul die Schauspielerin und die Gräfin wie mit einem Ringe zusammen. Ein furchtbarer Knoten, den eine Herzogin unter Ludwig XV. zerschnitten hatte, indem sie die Lecouvreur vergiften ließ; eine sehr begreifliche Rache, wenn man die Größe der Kränkung bedenkt.
Florine legte den ersten Schritten von Raouls Leidenschaften nichts in den Weg. Sie durchschaute die falsche Rechnung bei dem schwierigen Unternehmen, in das er sich stürzte, und wollte sechs Monate Urlaub nehmen, Raoul führte die Verhandlungen mit Nachdruck und führte sie derart zum Ziel, daß er sich bei Florine noch beliebter machte. Mit dem gesunden Verstand des Bauern in der Lafontaineschen Fabel, der für das Essen sorgt, während die Patrizier schwatzen, machte die Schauspielerin in der Provinz und im Ausland Gastspielreisen, um den berühmten Mann auszuhalten, während er nach Macht jagte.
Bisher haben wenige ein Bild von der Liebe gemalt, wie sie in den hohen Gesellschaftsschichten ist, reich an Größe und geheimem Elend, furchtbar in der Unterdrückung des Verlangens durch die dümmsten, gemeinsten Zufälle und oft durch Ermattung gebrochen. Vielleicht bekommt man hier eine Ahnung davon. Seit dem Tage nach dem Balle bei Lady Dudley glaubte Marie, ohne die schüchternste Erklärung gemacht oder erhalten zu haben, sich von Raoul nach dem Programm ihrer Träume geliebt, und Raoul wußte sich als Maries Erwählter. Obwohl keiner von beiden bis zu dem kritischen Punkte gelangt war, wo Männer wie Frauen die Vorbereitungen abkürzen, gingen beide rasch aufs Ziel. Raoul war der Sinnenfreuden überdrüssig; er strebte nach der Welt des Ideals, wogegen Marie, der nicht einmal der Gedanke an einen Fehltritt gekommen war. sich gar nicht vorstellte, daß sie diese Welt verlassen könnte. So war tatsächlich keine Liebe unschuldiger und reiner als die Raouls und Maries, aber keine war in der Vorstellung leidenschaftlicher und köstlicher. Die Gräfin schwelgte in Vorstellungen, die der Ritterzeit würdig, aber völlig modernisiert waren. Im Sinn ihrer Rolle war der Widerwille ihres Gatten gegen Nathan kein Hindernis
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