Eine Familie für Julianne
war geduldig und würde warten, bis sie so weit war – warum musste sie sich da selber unter Druck setzen?
Schließlich hatten sie alle Zeit der Welt …
9. KAPITEL
Hey, das ist nicht mein Zimmer, dachte Kevin verschlafen, als er vom Sonnenlicht geweckt wurde. Dann fiel ihm ein, in wessen Bett er lag, und er lächelte und drehte sich auf die andere Seite, die Arme ausgestreckt …
Doch die Seite neben ihm war leer.
„Julie?“, rief er und setzte sich gähnend auf.
Er sah sich im Zimmer um, das mit seinen Spitzenvorhängen, dem weißen, verschnörkelten Metallbett und den mit getragenen Kleidern überhäuften Schaukelstuhl in einer Ecke an das eines Teenagers erinnerte.
Während er langsam wach wurde, machten sich Zweifel breit. Es war eine wunderbare Nacht gewesen. Jedenfalls für ihn.
Aber was, wenn Julie das anders sah?
Eines Tages würde er bestimmt lernen, dass man eine Gelegenheit auch auslassen konnte. Dass es ein Zeichen von Reife war, die Situation zu beherrschen, statt sich von den Ereignissen mitreißen zu lassen.
Wie schaffte er es nur immer wieder, sich in dermaßen unmögliche Lagen zu bringen?
„Oh, gut, du bist endlich aufgewacht.“
Er zuckte zusammen. In der Tür stand Julianne, angezogen, Pippa auf dem Arm. Aber sie lächelte. Nein, sie strahlte.
Kevin grinste erleichtert und klopfte aufs Bett. Julie setzte sich mit dem Baby im Arm neben ihn, und er stopfte ihr ein Kissen in den Rücken und legte dann den Arm um sie.
„Und, wie fühlen wir uns heute?“, fragte er.
Als sie zu ihm aufschaute, wirkte sie nicht unbedingt verliebt, aber immerhin zufrieden.
„Sehr gut“, antwortete sie lächelnd und küsste ihn.
Damit kann ich leben, dachte er. Jedenfalls im Moment.
Leider hielt das Hochgefühl nicht ewig an – jedenfalls nicht mit derselben Intensität. Nicht, dass etwas Schlimmes passierte, aber es war eben alles in der Schwebe.
Seit ein paar Tagen arbeitete Kevin bei der Baufirma, und der Job war eintönig und unterforderte ihn. Victor war aus Hawaii zurück, sie hatten das Haus nicht mehr für sich allein, und dementsprechend zurückhaltend musste er sein.
Sonst war die Stimmung zwischen ihnen gut. Sie alberten herum, spielten mit Pippa, setzten sich zusammen vor den Fernseher und redeten dann doch die ganze Zeit …
Doch es fiel Kevin schwer, geduldig zu sein. Julianne war offenbar zufrieden damit, einfach so in den Tag hineinzuleben, ohne ihre Beziehung zu definieren. Doch Kevin wollte mehr. Ein richtiges Zusammenleben, ein Haus, einen Job, der ihm Spaß machte. Und er wollte nicht ewig darauf warten.
Als er den alten Truck vorm Haus parkte, kam Julianne ihm barfuß mit Pippa auf dem Arm entgegen. Kevin setzte ein fröhliches Lächeln auf, bevor er ausstieg, dann küsste er seine Tochter aufs Köpfchen und meinte: „Tut mir leid, Kleines, Daddy ist ganz verschwitzt und dreckig. Aber sobald ich geduscht habe, kannst du auf meinen Arm.“
„Dad grillt Steaks“, sagte Julianne und starrte gedankenverloren auf seinen verschwitzten Oberkörper. Dachte sie dasselbe wie er? „Ich sag ihm, dass du in einer Viertelstunde so weit bist?“
„Klingt gut“, antwortete er müde.
„Du siehst ziemlich fertig aus.“
„Na ja, ich habe acht Stunden am Stück einen Vorschlaghammer geschwungen, und das bei der Hitze hier.“
„Hm, klingt nicht sehr gemütlich, aber das ist nicht alles, oder?“
Frauen und ihre Intuition. „Klar doch. Ich bin einfach geschafft.“
„Lügner“, bemerkte sie leise, dann schaute sie sich über die Schulter um, zog ihn am T-Shirt zu sich heran und küsste ihn. Und zwar richtig.
Danach drehte Julianne sich um und ging ins Haus zurück, und Kevin folgte ihr sehr angeregt – und sehr verwirrt.
Als er, ein Handtuch um die Hüften geschlungen, aus der Dusche kam, saß Julianne in seinem Zimmer und wartete auf ihn. Leider war sie angezogen und wirkte ziemlich angespannt.
„Wo ist Pippa?“, fragte er.
„Draußen bei Dad.“
Testweise ließ er das Handtuch an sich herabgleiten. Keine Reaktion – jedenfalls nicht bei ihr.
„Ich weiß, was du hast“, sagte sie.
„Und das wäre?“
„Du hasst deinen neuen Job. Und du willst weg von hier.“
Kevin ließ fast das saubere T-Shirt fallen, das er sich gerade aus dem Schrank genommen hatte. „Das ist nicht wahr!“
„Doch“, widersprach sie erstaunlich gelassen.
Zum ersten Mal wagte er es, vor sich selbst zuzugeben, dass sie vielleicht recht hatte. Er vermisste seine Familie. Zwar
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