Eine Familie für Julianne
würde er bei Mias Hochzeit alle wiedersehen, aber dann wieder Abschied zu nehmen stellte er sich schwierig vor.
Kevin zog sich das T-Shirt über den Kopf. „Ich gebe zu, der Job ist ätzend. Natürlich muss man die alten Sachen rausreißen, wenn man ein Haus renovieren will, aber das ist alles, was die mich tun lassen. Es gibt überhaupt keine Erfolgserlebnisse, verstehst du? Aber ich bin sicher, ich finde über kurz oder lang was Besseres. Mach dir keine Sorgen, Liebes.“
Er ging vor ihr in die Hocke und nahm ihre Hände in seine. Doch sie machte sich los und stand auf. „Du vergisst, mit wem du redest“, sagte sie traurig.
„Lieber Himmel“, stieß er hervor. „Du hast Angst, dass ich weggehe. Und nicht nur wegen Pippa.“
„Na so eine Überraschung“, flüsterte sie und ging hinaus.
Kevins Laune besserte sich sofort erheblich. Fortschritt!, jubelte sein Herz. In diesem Moment klingelte sein Handy, und da er dachte, es wäre sein Bruder, meldete er sich salopp mit „hi“.
„Spreche ich mit Kevin Vaccaro?“, fragte eine unbekannte Stimme.
„Ja. Was kann ich für Sie tun?“
„Eine ganze Menge, hoffe ich. Ihr Bruder hat mir Ihre Nummer gegeben. Ich habe das Haus gesehen, das Sie für ihn renoviert haben, und ich denke, Sie sind genau der Mann, den ich brauche …“
Das Abendessen war eine Katastrophe. Victor wirkte in sich gekehrt und verstimmt, seit er aus Hawaii zurück war, und Kevins Laune schien sich auch nicht besonders gebessert zu haben.
Beide schauten immer wieder zu Julianne, als wollten sie sie um Verzeihung bitten, und am liebsten hätte sie ein richtiges Donnerwetter losgelassen. Stattdessen versuchte sie die Stimmung etwas aufzuheitern und tat so, als sei alles in bester Ordnung.
„Wann genau geht eigentlich dein Flieger am Mittwoch?“, fragte sie Kevin.
„Früh“, murmelte der, als ginge es nicht zur Hochzeit seiner Schwester, sondern zu einem Zahnarzttermin.
„Ich fahre Sie“, bot ihr Vater an – das Erste, was er während der ganzen Mahlzeit gesagt hatte.
„Danke. Ist Steaksoße da?“
„Im Kühlschrank.“
Als Kevin ins Haus ging, legte Julianne ihrem Vater die Hand auf den Arm. „Hey, ist alles in Ordnung?“
„Natürlich. Wie kommst du darauf?“
„Du bist so schweigsam, seit du wieder hier bist.“
„Ach, mir geht nur so viel durch den Kopf.“
„Ja, das hab ich mir schon gedacht. Die Frage ist nur, was?“
„Es ist was Persönliches“, wich er ihr aus. „Mach dir keine Gedanken.“
Aber natürlich erreichte er mit seiner Geheimnistuerei genau das.
„Bist du krank?“, rief sie erschrocken.
„Krank? Quatsch. Mir geht’s gut. Ich muss mir nur über ein paar Dinge klar werden. Aber jetzt erzähl mir endlich, was zwischen dir und Kevin läuft. Oder soll ich mir das selbst zusammenreimen?“
Das war nun mal ein Themenwechsel, der ihr überhaupt nicht passte.
Kevin konnte das Gespräch durchs offene Küchenfenster mitverfolgen und verzog das Gesicht. Warum sprachen die beiden nicht einfach offen miteinander?
Aber er selbst war ja auch nicht besser. Da hatte er nun aus heiterem Himmel dieses wunderbare Jobangebot an der Ostküste – und wusste doch nicht, was er tun sollte. Und bevor er selbst keine Entscheidung getroffen hatte, wollte er auch mit Julianne nicht darüber sprechen.
Das hatte er zumindest vor. Doch nach dem Essen folgte sie ihm in die Küche, während Victor sofort in seinem Arbeitszimmer verschwand.
„Sagst du mir wenigstens, was mit dir los ist, oder willst du dasselbe Spielchen mit mir spielen wie mein Vater?“, fragte Julianne geradeheraus.
„Ich habe euch gehört“, gab er zu. „Er will dich doch nur beschützen.“
„Zwischen beschützen und für dumm verkaufen ist ein Unterschied. Ich bin seine erwachsene Tochter. Kannst du dir vorstellen, wie es sich anfühlt, dass er mich so bewusst ausschließt? Ja, ich habe viel durchgemacht, aber ich hab’s überlebt, wie ich gerade festgestellt habe. Wie kommt er jetzt also auf diese ‚Zerbrich dir nicht dein hübsches Köpfchen‘-Masche?“
Als Kevin nicht antwortete, fuhr sie übergangslos fort: „Und glaub ja nicht, dass ich dir das auch noch durchgehen lasse. Seit wir uns vor dem Essen in deinem Zimmer unterhalten haben, ist etwas passiert, das sehe ich dir an. Und es geht mich etwas an, denke ich. Also raus damit.“
Kevin seufzte. Irgendwann musste er es ihr ja sagen.
„Ich hab dir doch erzählt, dass ich meinem Bruder geholfen habe, ein altes Haus zu
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