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Eine Frage des Herzens

Eine Frage des Herzens

Titel: Eine Frage des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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durcheinander.«
    »Weswegen?«
    »Weil ihr die Reise gemeinsam angetreten habt. Sie meinte, Nonnen sei es nicht gestattet, mit Männern zu verreisen, aber vermutlich habt ihr eine Sondergenehmigung erwirkt, weil ihr euch so lange kennt und du für sie arbeitest. Deshalb sind wir davon ausgegangen, dass Bernie hier wohnt.«
    »Aha.« Er hätte wissen müssen, dass die Gerüchteküche der Familie auf Hochtouren arbeitete. Er schüttelte den Kopf und hoffte, dass die gedämpfte Beleuchtung in der Eingangshalle die Röte verbarg, die sich, wie er spürte, auf Hals und Gesicht ausbreitete.
    »Emer muss etwas missverstanden haben, das ist alles. Tommy, du bist bestimmt todmüde. Clara, wo steckst du?« Sie musterte seine Reisetasche, die mitten auf dem Fußboden stand, dann hielt sie mit einem Anflug von Panik nach ihrem Hausmädchen Ausschau. Doch Tom ergriff ihr Handgelenk, um sie aufzuhalten.
    »Ist gut, Liza, ich mach das schon. Dasselbe Gästezimmer? Im zweiten Stock?«
    »Ja, Tom. Das Blaue Zimmer, wie es immer noch heißt.«
    Er küsste sie auf die Wange und eilte die Treppe hinauf, bevor sie ihn auf den eingebauten Lift aufmerksam machen konnte. Die schmalen Stadthäuser waren hoch und die Stiegen steil, und es gab nur zwei Räume pro Stockwerk. Die Stockwerke waren anders benannt als in den Staaten. In Irland wurde der erste Stock als Erdgeschoss, der zweite Stock als erste Etage und der dritte Stock als zweite Etage bezeichnet und so weiter. Wie auch immer, als er die zweite Etage erreichte, brannten seine Oberschenkel von den vielen Stufen, ein Gefühl, das er genoss. Sein Körper schien bereit, vor aufgestauter Energie zu bersten.
    Als er am Wäscheraum vorbeikam, nahm er mit einem Lächeln das Laufband neben dem Bügelbrett zur Kenntnis. Tom und seine Cousins waren in einem Alter, in dem sie auf das Kelly-Herz achten mussten – vor allem wenn man zur Völlerei neigte, wie sie es taten. Da er in der Academy eher spartanisch lebte und ständig im Freien arbeitete, hatte er immer ausreichend Bewegung.
    Er schloss die Tür des Blauen Zimmers hinter sich, dann ging er zum Fenster und blickte auf den Platz hinab. Der Konvent von Notre Dame des Victoires war nicht auszumachen. Er war einige Straßenblocks entfernt, doch Tom sah ihn in Gedanken vor sich. Er hätte gerne gewusst, was Bernie gerade tat, ob sie beschlossen hatte, sich Schwester Anne-Marie anzuvertrauen. Er fragte sich, ob sie der Mutter Oberin bereits begegnet war, und wenn ja, ob sie es geschafft hatte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten.
    Er schloss die Augen und presste seine Stirn gegen die kühle Fensterscheibe. Wenn er reglos dastand, konnte er Dublin ausblenden und die Worte vor sich sehen, eingemeißelt in den Stein der Blauen Grotte, zu Hause, auf dem Gelände der Academy.
Ich schlief, doch mein Herz wachte.
    Seufzend schüttelte er den Kopf.
    »Bernie«, murmelte er.
    Dann streifte er, erschöpft vom Flug und dem übrigen Trubel, die Schuhe von den Füßen, legte sich auf die blaue Bettdecke und versuchte zu schlafen.

2
    A us der administrativen Warte gab es interessante Unterschiede zwischen einem Stadtkloster und einem ländlichen Konvent wie Star of the Sea. Das schmale Gebäude war wesentlich kleiner. Es bestand aus drei Stockwerken, die von fünfundzwanzig Nonnen bewohnt wurden. Die Ordensgemeinschaft besaß keine Ländereien, die der Erwähnung oder Bearbeitung wert gewesen wären, nur einen kleinen dunklen Garten an der Rückseite des Hauses mit zwei Bänken, einem Kiesweg, der durch dichtes Gebüsch führte, und einem schmalen mit Efeu überwachsenen Heiligenschrein, der an der Mauer stand.
    Zu Hause in Connecticut begann Bernie den Tag oft mit einem langen Spaziergang durch den Weinberg zum Strand, um zu beten, die Kümmernisse und Träume der Nacht zu sammeln und sie dem Meer und den verblassenden Sternen anheimzugeben.
    Hier hatte sie die Nachtgeräusche von Dublin im Ohr – Lastwagen, die rumpelnd über die Kais fuhren, Menschen, die auf dem Heimweg von irgendwo lachten und plauderten. Mitten in der Nacht wurde sie vom Streit eines Pärchens unten auf der Straße geweckt; die Frau schluchzte laut, und der Mann fuhr sie an: »Schluss jetzt. Mir reicht’s. Hör endlich auf damit.«
    Danach war sie hellwach und versuchte gar nicht erst wieder einzuschlafen. Ihre Zelle lag an der Vorderseite des Hauses und war ähnlich karg eingerichtet wie im Star of the Sea – eine schmale Pritsche, Schreibtisch und Stuhl, eine Kommode,

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