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Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Titel: Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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betrachtete die Landschaft. Doch nie sah er die Pflanzen, Bäume und Zweige, Blumen und silbrigglänzende Blätter, immer nur die Fußspuren. Er war einmal Flurhüter gewesen, bis ihm der Engel des Krieges die Augen geöffnet hatte. Er solle doch einsehen, daß ich auch das endlich hinter mich bringen müsse, fügte ich hinzu, nämlich eine tüchtige und willige Frau kennenzulernen, das Geld dafür sei da, und in unseren Säcken hätten wir einige abgesäbelte Ohren und Finger, falls jemand etwa daran zweifeln sollte, daß wir in Jakulevo unsere Aufgabe erfüllt hätten, und zwar nicht nur irgendwie. Mein Vater strich sich sein langes, graues Haar aus der Stirn und nickte. Das komme schon in Frage, sagte er leise, ich hätte sogar Glück, denn er kenne hier in der Gegend eine, die Olga Stein heiße und in ihren helleren Momenten die Sprache der Steine, der Kiesel und der Felsspalten verstehe. Aus Basalt, Marmor und Kalkstein formt sie Wesen in Menschengestalt, erklärte mein Vater, doch sie läßt sie nur so lange am Leben, bis jemand Gefallen an ihnen findet. Diese Olga Stein ist eine der außergewöhnlichsten Künstlerinnen in unserer Gegend, mag sein, daß auch ihr der Engel des Krieges die Augen geöffnet hat. Das war alles, was mein Vater sagte, und damit machten wir uns auch schon auf den Weg. Als wir bei Olga Steins Gehöft ankamen, war die Künstlerin gerade bei der Arbeit.
    Das hier ist mein Sohn, Olga Stein, rief mein Vater, und er will eine Frau.
    Olga Stein stand reglos da, Meißel und Hammer in der Hand. Ich sah sofort, daß sie eine war, die in ihrem Blick niemals das Feuer der Leidenschaft aufglimmen ließ, aus ihrem Schoß aber allmorgendlich einen Korb warmer Asche kippte.
    Doch dann sagte mein Vater, zuerst wolle er zu ihr hineingehen, und so war es auch. Ich legte mich in die steinige Wiese auf dem Hof und ließ Olga Steins Bluthunde an meinem Schoß schnuppern, bis sie sich jaulend trollten. Zerstreut betrachtete ich die Steinmenschen der Künstlerin. Es dürften an die zwanzig gewesen sein, alle gleich, fast wie eine Armee. Ich nahm winzige Kieselsteine in die Hand, behauchte und rieb sie. Meine Ahnung hatte mich nicht getäuscht. Eine der Steingestalten wurde kurz darauf lebendig, kam zu mir und legte sich neben mich ins Gras. Sie sagte nichts, denn sprechen konnte sie nicht, zumindest vermutete ich das. Aber ihre Augen funkelten lebhaft, als könne sie eins zum andern zählen, und ich sah, daß es eine Frau war, eine lebendige Frau aus lebendigem Stein, die womöglich sogar gebären und töten konnte, wenn man sie darum bat. Ihre Brüste, ihre Schenkel waren warm, sie atmete sogar.
    Als Olga Stein aus dem Haus trat, blieb sie auf der Veranda stehen wie ein frierender General, der eine Wehrübung hinter sich hat, zu der er natürlich nicht im geringsten aufgelegt gewesen ist. Unwillkürlich griff ich nach meinem Rucksack, ob das Geld noch da war, die Kriegsreliquien, das Fläschchen Wasser aus der Miljacka, Reisepässe, ein paar Medikamente gegen Fieber, Durchfall und Läuse. Nichts fehlte. Olga Stein rührte sich noch immer nicht. Sie ließ ihren kalten, teilnahmslosen Blick über ihre Leute gleiten.
    Schon wieder hast du herumgehurt, sagte sie plötzlich zu der Steingestalt, die bereits wieder zwischen den anderen stand. Das Gras hatte die Arme verraten, das zertrampelte Gras, denn es war, als schlängele sich ein Weg zwischen uns. Der Steinmensch lächelte sanft und zeigte keine Angst. Gewiß hatte er jetzt nicht mehr umsonst gelebt. Mit langsamen unbarmherzigen Bewegungen zerschlug ihn Olga Stein in winzige Stücke. Sie schlug ihm die Gliedmaßen und den Kopf ab, mit fachkundigen Schlägen zerspaltete sie den Rumpf. Zum Schluß stieß sie die winzigen Steinchen auseinander. Die Hunde bellten, als wären sie im Zirkus. Dann schaute sie mich an, schließlich hob sie den Blick zu meinem Vater. Ja, jetzt war Olga Stein schöner, viel schöner als bei unserer Ankunft.
    Paß mit deinem Sohn auf, Mihail Koz, paß bloß auf, sagte sie.
    Mein Vater lachte, daß ihm der Schaum in den Mundwinkeln stand.
    Redest du von Oberleutnant Koz, Olga?
    Am nächsten Tag sagte ich zu meinem Vater, dem Herrn Major Mihail Koz, daß ich wirklich gern eine Frau hätte, aber diese Frau solle nur mir gehören, wenn möglich, und er solle sich nicht mit ihr vergnügen, weder vor mir noch nach mir. Wir saßen am Waldrand und hörten den zwitschernden Vögeln zu. Ein Specht klopfte in der Nähe. Aus den Büschen hervor

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