Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten
Stück heraus und wickelte es sich um den Hals. Während sie in Margaretas Haus die Zeit verjubelten, schrieb ich ein Gedicht über meinen Vater. Mit Ruß und einem Birkenzweig voller Honig ritzte ich sein Gesicht auf Zeichenpapier.
Tänzer wirbelten in der Luft.
Und als mein Vater aus Margaretas Haus kam, richtete ich mein Gewehr auf ihn. Mein Vater sagte nichts, denn er kannte mich gut. Er wußte, daß auch ich vom Krieg erzogen worden war, daß der Krieg mich sprechen, schweigen und lachen gelehrt hatte. Er starrte mich nur an, seine Lippen bewegten sich tonlos. Vielleicht betete er. Vielleicht sagte er, was er immer schon hatte sagen wollen. Ich schoß ihm mitten ins Gesicht. Dann zündete ich Margaretas Scheune an und schaute den Flammen zu, bis ich aus dem Gewirbel der Tänzer die Erzählung meines Lebens herauslesen konnte: daß ich früher gemordet als geliebt hatte, daß ich die Seele schon in Blut gerinnen sah, noch bevor ich mein Erbe hätte ermessen können, Es tut nicht weh, daß es so kam, das meine ich nicht. Ich bin kein Verräter. Und jetzt gehe ich heim zu meiner lieben Mutter, zu Milenka Carica, die meinen Vater schon sehr erwartet. Ja, die Arme, sie erwartet ihn vergeblich. Aber ich werde es nicht zulassen, daß das Gesicht meiner lieben Mutter im Wasser der Traurigkeit schwimmt. Den Speisen, die von ihren Köchen in der Großküche zubereitet werden, dem lebendigen Fleisch des Waldes, des Himmels und des Sees, dem Obst und Gemüse der Erde, dem süßen Gold des Honigs werde ich zuflüstern, was ich beschlossen habe. Ich werde nicht sofort zu ihr hineingehen, ich warte, bis sie mich ruft, sie soll spüren, daß ich zu Hause bin, denn auch ich bin zurückgekommen. Ich warte, bis zwischen den strahlenden Zähnen meiner Mutter Milenka Carica das Fleisch zu einem feinen Brei zermalmt wird und ihr durch den Hals hinab verkündet, in ihre Eingeweide, über ihr Herz, daß ich hier bin, hier bin, hier bin. Meine liebe Mutter, dein guter Mann, Major Mihail Koz, lebt nicht mehr, aber ich bin hier an seiner Statt, dein Sohn, der ich den Krieg im Rang eines Oberleutnants absolviert habe, der ich bei Jakulevo am Bein verwundet worden bin, der aber, was immer er sammelte, nur für dich sammelte, und was immer er tat, nur für dich tat, wenn er mordete, dann um dich zu schützen, wenn er betete, dann um für dich zu beten. Jetzt aber hält er die Zeit für gekommen, dich zu seiner Liebsten zu machen, zu seiner glücklichen Geliebten.
Eva Rajnak
1.
Ein Handelsvertreter brachte die Nachricht, daß in der Grabsiedlung etwas Ungewöhnliches geschehen sei. Natürlich wurde ich, Baum, mit der Angelegenheit betraut, soll doch er die Reise hinter den Rücken Gottes machen, wenn es, witzelten seine Kollegen, überhaupt eine Region gebe, die nicht hinter dem Rücken Gottes liege. Baum zuckte mit den Achseln, schnupfte und nahm noch am selben Tag das Tagegeld und die Dienstwaffe entgegen. Vor Anspannung hörte er sein Herz klopfen. Zehn Jahre hatte er auf die Grabsiedlung gewartet, ganze zehn Jahre. Baum bin ich, des öfteren muß ich von ihm sprechen, als wäre er ein anderer. Baum bin ich, und er muß in den Süden reisen, um die Sache mit Popačka zu Ende zu bringen. Vor zehn Jahren hatte Popačka damit angefangen, seit genau zehn Jahren zog er durch dieses schrumpfende, in Blut, Haß und Frühlingslicht erstickende Land, und Baum wußte seit langem, daß es die Grabsiedlung sein würde, wo die Menschen zum letzten Mal das Kreuz aufrichten, um Gott zu versuchen. Oder zu korrigieren, wer weiß. Mit der Grabsiedlung endete die Geschichte. Und alles war nur eine Frage der Zeit, ein Monat, oder zwei, Popačka wird bestimmt kommen, und schließlich erschien er auch, denn an jenem lauen Frühlingstag, der leichte Windbrocken über die Saat fegte, blieb ein Handelsvertreter vor dem Büro stehen, klopfte verlegen an die Glastür, um dann in langen, ein wenig umständlichen Sätzen, mit fiebrig glänzenden Augen und zuckender Stirn darzulegen, daß in der Grabsiedlung etwas Außergewöhnliches geschehen sei, ein Ereignis, das unbedingt gemeldet werden müsse. Baum hatte den Ort längst auf der Karte markiert. Die Siedlung war so unbedeutend, daß man sie darauf nicht fand. Von der Wandkarte blickte ihm seit Wochen ein Gesicht entgegen. Die von einer Ansiedlung zur nächsten verlaufenden Linien erinnerten an die Züge des berühmten und geheimnisvollen Jesus Partisan, ein Werk des Belgrader, später in Paris begrabenen
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