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Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Titel: Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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engagierte einen wandernden Künstler, der den Bauern zeichnen sollte. Mit leidendem Gesichtsausdruck, für ein Extrahonorar. Babušov war auch am Morgen noch in der Erde, seine Augen waren blutunterlaufen, Schaum stand ihm vor dem Mund.
    Sunce ti jebem, flüsterte er, ich gebe die Ljubiša nicht her.
    Sie gehört mir schon, Babušov, sagte ich. Siehst du, während du in deiner Erde sitzt und an die Saat denkst und dir das Licht vorstellst, das über der Wiese aufschäumt, habe ich deine Tochter errungen, die erst zehn Jahre alt ist.
    Über dem Haus hingen dichte, schmutzige Dunstschwaden. Badala, der Sekretär, stand im Hof und trank gemütlich seinen Kaffee. Ich ging zu ihm.
    Josif Badala, küßt du mir die Hand?
    Er sagte nichts, drückte nur seine speichelfeuchten Lippen darauf. Für einen Augenblick spürte ich seine Zunge. Ich drehte die Hand um, damit er den Beweis unseres Abkommens, das glänzende Markstück, mit den Zähnen aufnehmen konnte. Er richtete sich wieder auf.
    Weißt du, unsere Mutter, was wird mit unserer Mutter?
    Ich weiß, sagte er, mit der Münze im Mund.
    Ein paar Tage später verliehen wir Vasja Babušov eine Auszeichnung. Nicht ich war wichtig, sondern er, der Bauer. Zu der Feier mußte er auch seine Tochter mitbringen. Ljubiša stand im Hof, ihre Brust war noch unentwickelt, auf ihrer Stirn ein zögernder Schatten, aber ihre Beine waren bereits behaart, wie bei denen, die schon durch Brennesseln gegangen sind. Badala ließ meine Mutter in den Hof tragen. Unter lautem Stöhnen und Singen wurde sie herausgeschleppt. Jemand sagte, wir werden alle krepieren, ihr werdet sehen, am Ende krepieren wir ohnehin alle. Wie auf einer Bühne, wo manche die tragischen Rollen zu spielen haben. Also nein. Ruhe, ihr Hurensöhne, Maul halten.
    Wir krepieren nicht. Wir werden leben, wir werden mächtig sein, wir werden ewig sein. Wir vergessen nichts, sagte ich den Versammelten. Wir lernen nur so viel, schrie ich, wie man uns mit Gewalt und Heimtücke aufzwingt. Wir werden besser sein, als wir waren, sagte ich.
    Meine Mutter erhob sich und kam auf mich zu. Sie war größer und stärker als ich, wie oft hatte sie diese Überlegenheit ausgenutzt. Als sie vor mir stehenblieb, spürte ich, daß in ihrem Atem noch Josif Badalas nächtliches Keuchen war, auch diese Nacht hatte sie sich von ihm vögeln lassen. Badala gehörte mir. Babušov blinzelte benommen, in seiner Hand blitzte das Schnapsglas. Ringsum die Landschaft, das Land, mein teures Land, die Wolken, die Birken am Straßenrand, und der Himmel, der Himmel. Ich weiß nicht, wo ich hinstach. Und auch nicht, wie oft. Aber irgendwie war es so schön.
    Ljubiša begann in ihrer Angst zu deklamieren.
    Posetala Carica Milica, Ispod grada bjeloga Kruševaca, S njome seću dve mile kceri, Vukosava i lijepa Mara, S njima jezde Vladeta vojvoda, Na doratu, na konju dobrome.
    Und zugleich glänzten ihre Augen vor Angst.
    Ja, natürlich. Der dumme Babušov hatte geglaubt, daß ich seine Tochter zur Geliebten oder Ehefrau machen wollte. Aber das war es nicht. Ich hatte anderes mit ihr vor, was ein beschränkter Erdkünstler schwerlich verstehen konnte. Sie, die einfachen Leute, verrichten ihre Arbeit, bauen die Mauern wieder auf, scheuern die Stadtränder blank, holen die Wracks aus dem Fluß, denn dafür sind sie geschaffen. Menschen wie ich hingegen, die Erwählten, stellen die Uhren der Krankenhäuser und Friedhöfe, der Kirchen und der Ämter neu. Badala und Zeus ergriffen meine Mutter an Händen und Füßen und hoben sie hoch. Vorsichtig, um ihr nicht weh zu tun, wiegten sie die Seele aus ihr hinaus. So ging ich zu dem Mädchen und umarmte es, wie es sich gehört. Ich führte sie zum Stuhl meiner Mutter und setzte sie hinein. Ihre Mundwinkel zitterten, doch ich hob meine Hand und strich ihr den Angstschaum von den Lippen. Schließlich kniete ich mich demütig vor sie hin.
    Mutter, sagte ich und legte meine Stirn in ihren Schoß.

Milenka Carica-Koz
    Als wir endlich aus den Bergen von Jakulevo herabgestiegen waren, sang ich dem Schatten meines Vaters zu, er müsse mir jetzt wirklich helfen, eine Frau zu besorgen. Ich hatte gehört, daß hier in der Batschka die Zähne der Frauen härter sind als die der Männer und daß sie, obwohl ihr Mund kleiner ist, stärker zubeißen. Mein Vater blieb stehen und zupfte Blätter vom Zweig einer Zwergbirke, ein Zeichen seiner Nachdenklichkeit. Aber nur bei lebendigem Fleisch beißen sie stärker zu, murmelte er und blickte auf. Er

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