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Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Titel: Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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von ihrem Sekretär, einem Kerl namens Josif Badala besteigen und orderte bluttriefende Nachrichten vom Krieg und von Milenka Carica, die neuerdings kränkelte, man sprach davon, daß sie ein neues Bein bekommen habe und trotzdem schlechter laufe als zuvor. Josif Badala hatte in Paris und Amerika studiert. Er war der Geliebte meiner Mutter, seit mein Vater von einem Kroaten aus Sarajevo erschossen worden war.
    Es ist Krieg, sagte ich zu Zeus, der prüfend zum Himmel blickte, als könne er so weit sehen. Ich weiß, daß die Menschen nicht bis zum Himmel sehen. Sie sehen ein Stück weit, und das, was dort ist, nennen sie Gott. Glaube ist nicht, Gott zu sehen. Glaube ist, zu wissen, daß Gott uns sieht, auch wenn wir ihn nicht sehen. Wer Gott sieht, ist verloren, sage ich, Mihail Dobro. Ich glaube, Zeus, der Wahrsager, dachte genauso. Er bekam von mir den Befehl, fortzugehen und das Mädchen zu prüfen, das Ljubiša Babušov hieß und neuerdings in Kneipen Gedichte zum besten gab, dann solle er mir seine Meinung sagen, ohne Umschweife, nur das Wahre und Schöne. Zeus kam zurück wie einer, der so lange geprügelt worden ist, daß er die letzte Erinnerung an das Gute in seinem Leben verloren hat. Aber er legte gleich los. Ljubiša Babušov kann deswegen so schön singen und Gedichte aufsagen, weil sie von Zeit zu Zeit ihren weitaufgerissenen Mund in die Sonne hält, sie taucht ihre Zunge, die Zähne und die Kehle ins Licht. Aber das ist noch nicht das Wesentliche. Wozu Scheiße mit Honig garnieren, Mihail Dobro: Vasja Babušov hat seine Tochter erzogen, ohne ihr auch nur ein Wort vom Krieg zu sagen. Das Mädchen wußte nicht, daß überall in der Gegend getötet wurde, sie wußte nichts von Jakulevo, sie wußte nicht, daß Bomben auf den Schoß Serbiens fielen, und wenn sie nach dem Himmelsdröhnen fragte, sagte ihr Vasja Babušov, das sei nur der launische Zorn des Himmels und der sei viel besser, als der des Menschen, denn der Zorn des Himmels vergehe, der Haß der Menschen aber sei ewig, ewig.
    Verschwendung, sagte ich, daß du so viele sein kannst.
    Ljubiša Babušov war zehn Jahre alt, sie konnte deklamieren, singen und wußte von nichts. Meine Zeit, daran zweifelte ich nicht, war gekommen. Meine Mutter war bleich wie eine getünchte Wand. Meine Mutter weinte, wie ein Blatt im Regen, meine Mutter spürte die Gefahr, meine Mutter schmeichelte, summte mein Lieblingslied, meine Mutter ahmte das Abendlied des Windes nach, das ich so liebte, meine Mutter bot mir ihre Brustwarzen, meine Mutter bot mir ihren heißen Schoß, alles vergeblich, alles vergeblich.
    Ich ging zu dem Bauern, wie ein Prinz.
    Ich kaufe deine Tochter, Babušov.
    Sie ist nicht zu kaufen, Mihail Dobro.
    Nur für mich nicht oder für niemanden?
    Für den, der sie kaufen will, so Babušov.
    He, bogati, lief mir die Galle über. Ich spürte, wie ich einen roten Kopf bekam und mich nicht mehr beherrschen konnte. Feilschen mit diesem Bauernarsch, der sich geehrt fühlen sollte, daß ich überhaupt mit ihm rede, ihm gestatte, vor mir stehen zu bleiben.
    Aber dann gelang es mir doch irgendwie, mich zusammenzureißen. Schließlich hatte ich einige Argumente. Ich begann aufzuzählen.
    Unsere Mutter, Vasja Babušov, um sie geht es. Unsere Mutter, das ist die Erde, sie wird alt, im Frühling beginnt ihr Gesicht wieder zu strahlen. Flüsse und Himmel strahlen. Wie viele Geschichten erzählen davon, wie junge Männer aus Schlamm und Dreck, von verfluchten Berghängen, von verräterischen Flußufern nach Niš, nach Novi Sad heimkehren, sich sogleich, ohne auch nur die Stiefel auszuziehen, den vom Blut braunen Soldatengürtel und die Hundemarke abzulegen, vor ihre Mutter hinknien und sie anflehen, schlag mich, Mutter, schlag zu und umarme mich, und erst dann tisch uns Krautroulade und Gibanica auf. Wenn die jungen Männer heimkehrten, kehrten sie zu ihrer Mutter heim, Babušov.
    Ich mag solche Geschichten nicht, Mihail Dobro, sagte Babušov und hob die Hand, er zeigte, daß Erde darin war, er hatte Erde in der Hand.
    Und ich habe es erzählt, weil ich diese Geschichten mag, Babušov, und ich wollte auch, daß du verstehst, was dich erwartet.
    Ich verstehe nur, was ich verstehen will, brummte Babusov.
    Mir reichte es. Was bildet sich der Kerl ein, wo er nur ein einfacher Bauer ist, ich aber ein Erwählter bin?! Ich ließ ihn bis zum Hals eingraben und ging davon. Mit Erde in der Hand kommt er zu mir?! Soll er wissen, wie es ist, in der Hand der Erde zu sein. Ich

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