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Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Titel: Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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Sie sie oder nicht?«
    »Sie hat gesagt, sie hätte einen Bräutigam.«
    Rajnak lachte.
    »Der ist auferstanden und gegangen.«
    13.
    Auch Baum hielt sich viel bei dem Kreuz auf, den Blick auf die Blutflecken geheftet. Manchmal berührte er das wurmstichige Holz, kratzte an den Fasern und Splittern. Aber die Vision kam nicht wieder. Eines Tages blieb Rapić mit seinem Traktor neben ihm stehen. Er sprang von seinem Fahrzeug und trat zum Kreuz. Er tätschelte es fast zärtlich. Sein Blick war dankbar und selbstgewiß.
    »Dort hinten im Hof haben sie gelegen. Meine guten alten Balken. Ich hätte nie gedacht, daß sie noch mal gebraucht werden. Und auf einmal, als Popačka gesagt hat, die Zeit ist gekommen, sind sie mir eingefallen.«
    »Popačka hat gesagt, die Zeit ist gekommen?« fragte Baum.
    »Wenn nicht er, dann irgendwer anders. Ich vielleicht. Oder Herr Rajnak. Und Popačka hat sich auf dem Platz ausgezogen. Er hat seine Kleider in den Dreck geschleudert. Es regnete.«
    »Habt ihr ihn betrunken gemacht?«
    »Er hatte Schnaps dabei. So eine Kälte, gefrierendes Nieseln. Nackt stand er da und wartete auf uns. Sie sagten, ich soll mich beeilen. Das Kreuz zimmern. Im Grunde keine große Sache. Ich war schnell fertig.«
    »Ich glaube, jetzt verstehe ich«, sagte Baum. Er hätte den Mechaniker gern geschlagen. Zusammenklappen sollte er und aufhören zu lächeln. Er wünschte, daß es ihm weh tun solle, nicht daß man nicht lächeln und zugleich Schmerzen haben kann. Ich hätte ihn gern geschlagen, bis ihm das Mentholbonbon, an dem er lutschte, aus dem Mund fiele.
    14.
    Als er aufwachte, saß Eva Rajnak an seinem Bett. Baum hielt ihre Hand umklammert.
    »Sie haben im Schlaf gewimmert«, sagte sie.
    Baum rieb sich mit der Faust die Stirn.
    »Das mache ich immer, wenn …«
    »Sie haben um Hilfe geschrien«, lächelte das Mädchen. Ich betrachtete ihr winziges Kinn. Den kleinen Schnitt an ihrem Hals. Ihre Hände, ihre Finger waren rot, wie nach einer Schneeballschlacht. Eine anziehende, begehrenswerte Hilflosigkeit ging von ihr aus, in die ich mich, glaube ich, verliebt hatte. Eine Hilflosigkeit, wie wenn Gras unter einem Betonweg zu wachsen beginnt, den Beton durchdringt, und wenn es sich endlich freuen könnte, unter freiem Himmel zu sein, wird es von einem verirrten Schaf abgefressen. Es war Frühling. Gott saß mitten auf einer Wiese, Engel brachten ihm ein neues schlummerndes Kind. Noch halb im Schlaf blinzelte ich das Mädchen an. Vor einigen Wochen hatte Popačka verkündet, die Erde, auf der wir stünden, sei die Lösung. Er hob sich von der Erde und stieg auf, dann ließ er sich wieder herabsinken. Das hat er getan. Und jetzt ist er irgendwo hier, er ist nicht fort, das Gesicht von Jesus Partisan ist vollendet. Die Lippen des Mädchens waren aufgesprungen. Schorf war keiner mehr darauf. Mir kam in den Sinn, daß unser Wort gesund sein kann, auch wenn unser Mund krank ist. Doch wenn das Wort krank ist, dachte Baum, ist auch der Mund krank. Und auch das Gesicht.
    »Ich kann nicht gut lieben«, sagte sie. »Ich glaube, meine Bewegungen sind ungeschickt. Gesagt hat es mir noch keiner, aber … aber man hätte es sagen können, glaube ich. Mir kommt es immer seltsam vor, wenn ein anderer Körper in meinem Körper ist. Was hat ein Atem in einem anderen Atem zu suchen? Dann fürchte ich mich vor meinem Mund, meinem Schoß, meinen Hüften, und ich fürchte mich auch vor meinen Brüsten. Ich habe Angst, mich zu bewegen, denn das wäre Einmischung. Dabei tanze ich gut, glaube ich. Oder ich tanze auch nur gern, ich weiß nicht. Aber schwimmen kann ich gut. Ich lege mich aufs Wasser und spüre meine Muskeln. Und ich laufe auch gern.«
    »Ich liebe dich«, sagte ich.
    »Ich weiß nicht«, antwortete sie. »Vor dem Tod habe ich keine Angst. Damals mit Popačka, als er mich nahm, dachte ich, ich würde von nun an mehr Vertrauen in meinem Körper haben.«
    Sie öffnete ihre Bluse.
    »Faß an«, sagte sie.
    Baum spürte, daß er eine Erektion bekam.
    »Ich bin Dokumentar.«
    Das Mädchen lächelte.
    »Wie anders ist es, wenn ein Mann oder eine Frau stirbt!«
    Baum schüttelte den Kopf.
    »Ich meine«, fuhr sie nachdenklich fort, »wenn eine Frau stirbt, scheint irgendwie weniger aus der Welt zu gehen. Obwohl die Frauen gebären. Trotzdem ist es weniger. Ob es am Wesen des Herrschens liegt?! Wenn ich vor der Leiche eines Mannes stehe, selbst wenn ich ihn nicht ausstehen konnte, wenn ich ihn verachtet, wenn ich ihn für den letzten

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