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Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Titel: Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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feilschen. Oder es ist ein einsamer Vertreter gekommen, dem du mitteilst, du würdest gerne eine Nat Sherman rauchen, bei einem Glas französischen Cognacs namens Otard, und am nächsten Tag hast du beides. Du erfährst nicht, woher, aber es ist da. Rajnak zog die Kiste in den Ausschank, und wer ein Bier wollte, öffnete es sich selbst. Manch einer biß einfach den Verschluß ab oder drückte ihn mit dem Daumen auf.
    »Wann ist es passiert?« fragte Baum.
    »Vor ein paar Wochen«, antwortete Rajnak und nahm einen Schluck aus der Flasche.
    »Vielleicht hieß er gar nicht Popačka«, stotterte Frau Hopp. Sie hatte graue Augen. Ein graues Tuch. Baum hatte plötzlich das Gefühl, daß auch ihre Zunge, die die Worte formte, grau war. Offenbar war auch der Speichel grau, mit dem sie ihn neuerlich anspuckte. Grau und süß.
    »Wie kommen Sie darauf, Frau Hopp?«
    »Ich habe ihn einmal angesprochen. Und er hat nicht reagiert. Wie ich sage. Er ist einfach weitergegangen.«
    »Sind Sie sicher, daß Sie ihn angesprochen haben?«
    »Womöglich wollte ich es nur«, lächelte sie.
    »Er hat Sie an Ihren Mann und Ihren Sohn erinnert, nicht wahr, Frau Hopp?«
    »Mein Sohn wurde in einem Grab gefunden, das er selbst ausgehoben hatte. Er war nicht allein. Mein Mann wurde beim Pflügen erschossen. Soviel ich weiß, jedenfalls. Ich habe Popačka gefragt, ob es Trost gibt. Da bückte er sich und hob eine Handvoll Erde auf, die gab er mir.«
    »Wie hieß Ihr Mann?« fragte ich.
    »Dragan«, antwortete Frau Hopp und lächelte.
    »Sie haben ihn, Popačka, Dragan genannt, nicht wahr?«
    Frau Hopp zog eine Plastiktüte hervor. Darin war Erde, Popačkas Erde. Sie löste die Schnur, mit der die Tüte verschlossen war. Dann spuckte sie hinein.
    »Ich dünge sie. Damit sie nicht austrocknet.«
    Benda war schon beim dritten Bier, doch man merkte es ihm nicht an, dabei trank er Hochprozentigen dazu. Er rauchte Marlboro, und das war seltsam, das Qualmen der leichten Marlboro im Mund des Hirten war ganz eigenartig. Nach jedem Zug besah er die Glut, als hätte er Angst, sie könnte verlöschen.
    »Mich hat er an die Tiere erinnert«, erläuterte Benda. »Er war wie meine Tiere, wie sie sprechen, denn ich verstehe, was sie sagen. So hat er zu mir gesprochen. Für mich war er wie eins von meinen Schafen. Manchmal schlafe ich bei dem Tier, das ich am nächsten Tag schlachte.«
    Rapić trank im Moment nur Schnaps.
    »Ich hatte einen Traktor. Ein irreparabler Scheiß. Ein alter deutscher Traktor. Er hat ihn in Ordnung gebracht. Jetzt ist er laut und stinkt höllisch, aber er läuft. Der stellt sich vor den Traktor und singt. Hat jemand so was schon gehört? Für einen Traktor singen. Dann hat er ihn natürlich noch mit Erde beworfen.«
    Es wurde still im Ausschank.
    Ich sah aus dem Fenster.
    Eva Rajnak stand draußen auf dem Platz, vor dem leeren Kreuz und lächelte.
    »Eva Rajnak«, sagte Baum, und auch er bückte sich nach einem Bier.
    »Eva Rajnak«, sagte ich.
    12.
    Die Morgenden schienen unter einer gewaltigen Decke hervorkrabbeln zu müssen. In den Höfen der Siedlung krakeelte das Geflügel, quietschten die Schweine, und auf Gras und Bäumen strahlte der Tau in bleiernem Glanz. Die Ochsen brüllten, als seien sie Werkzeug des Menschen. Meistens schlief Baum in Kleidern, wie die Einsamen, manchmal zog er sich nicht einmal die Stiefel aus. Öfters erwachte er vom Summen des Mädchens. Eva Rajnak trällerte nicht, sie sang auch nicht, sondern summte vor sich hin.
    »Wie seltsam«, sagte Baum eines Morgens zu Rajnak.
    »Was ist seltsam?« fragte Rajnak.
    »Ich weiß noch nicht«, sagte Baum, während er an seiner Waffe herumfingerte. Er hielt sie gegen das Licht, wie im Film, und entsicherte sie.
    »Möglich, daß ich mich in Ihre Tochter verliebt habe, Rajnak«, sagte ich. Unterdessen kämmte sich Rajnak sorgfältig. Er spuckte auf den schwarzen Stielkamm und zog ihn mehrmals durchs Haar. In einem billigen Spiegel mit Metallrahmen betrachtete er unverwandt sein Gesicht. Mit der Zunge putzte er sich die Zähne. Er wiederholte die Bewegung des Kämmens. Schließlich setzte er sich umständlich seine Pelzmütze auf.
    »Es ist also seltsam, aber Sie wissen nicht, was seltsam ist?« fragte er. Er griff nach der langhalsigen Literflasche, schüttelte sie und betrachtete die Blasen.
    »Ich weiß es nicht«, nickte Baum.
    »Na schön. Wenn Sie meine Tochter wollen, lassen Sie’s mich wissen«, sagte Rajnak.
    »Ich weiß es nicht«, krächzte Baum.
    »Wollen

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