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Eine Frau für Caracas

Eine Frau für Caracas

Titel: Eine Frau für Caracas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Genau das, was Gerda Dyrenhoff insgeheim befürchtet hatte, denn sie erlebte es schließlich nicht zum erstenmal , trat ein. Dyrenhoff hatte keine Zeit, sie zum Flughafen hinauszufahren. Ein Klient saß bei ihm, den er unmöglich abwimmeln konnte. Sie selber besaß keinen Führerschein, und sie hatte auch kein Interesse daran, ihn zu erwerben; sie behauptete, sie sei viel zu nervös dazu. In Wirklichkeit fand sie es viel bequemer, neben dem Fahrer zu sitzen, als selber zu fahren und sich womöglich von Dyrenhoff noch anraunzen zu lassen. Anita Eyssing, seine Sekretärin, hatte von ihm bereits den Auftrag erhalten, Gerda nach Riem hinauszufahren. Sie nötigte Gerda auf einen Stuhl, während sie sich rasch zurechtmachte und in die Kostümjacke aus Kamelhaar mit dem braunen Persianerkragen schlüpfte. Wie sie wieder aussieht...! dachte Gerda mit leisem Neid, einfach hinreißend! Immer, wenn sie Anita Eyssing vor sich sah, hatte sie den Eindruck, einem Kunstwerk gegenüberzustehen, einer bezaubernden Vereinigung von Schönheit und Eleganz.
    Sie blickte auf ihre Armbanduhr, aber Anita Eyssing, die es bemerkt hatte, beruhigte sie, daß sie noch reichlich Zeit hätten. Tatsächlich trafen sie eine Viertelstunde vor der fahrplanmäßigen Ankunft der Maschine im Flughafen ein. Der Parkplatz war fast leer. Sie warteten einen Regenschwall ab und liefen zum Restaurant hinüber. Auch hier waren nur ein paar Tische besetzt. Regenschauer, mit Hagelschloßen vermischt, prasselten gegen die großen Fensterscheiben.
    Im gleichen Augenblick, in dem Gerda Dyrenhoff sich die zweite Zigarette anzünden wollte, kündigte der Lautsprecher im Restaurant das Eintreffen der Frankfurter Maschine an. Man hörte ihre Motoren und sah, wie sie hinter Regenschleiern erschien, eine Schleife zog und zur Landung ansetzte. Gerda Dyrenhoff sah sich nach dem Zählkellner um, aber er kassierte an einem anderen Tisch, und so legte sie einen Geldschein auf den Tisch und bat Anita Eyssing, die kleine Kaffeerechnung zu begleichen.
    »Soll ich Sie hier oder im Wagen erwarten?«
    »Im Wagen, bitte.«
    Gerda zog ihren Schirm auseinander und eilte aus dem Restaurant. Anita Eyssing winkte den Kellner heran, zahlte und ging zum Parkplatz. Der Kellner lief voran, riß die Tür auf und starrte ihr nach, bis sie am Wagen den Schirm ausschüttelte und sich hinter das Steuer setzte. Das Radiogerät brachte ein Nachmittagskonzert, aber die Motoren der Flugmaschinen störten den Empfang, und sie schaltete den Apparat aus und richtete sich vor dem Rückspiegel das vom Wind ein wenig zerzauste dunkle Haar.
    Auf dem Flugplatz rollte die Maschine auf ihrer Betonbahn langsam aus. Die Motoren verstummten, und die blitzenden Schraubenflügel gingen in Ruhestellung. Die Treppe wurde herangerollt, Bodenpersonal schwirrte herbei, oben öffnete die Stewardeß die Metalltür, und die Fluggäste stiegen ein wenig steifbeinig und mit hochgeschlagenen Mantelkrägen aus der Maschine und beeilten sich, so rasch wie möglich unter die schützenden Dächer der Halle oder der Zollgebäude zu kommen. Es waren etwa vierzig Personen, außer einer Dame mit zwei Kindern lauter Männer, und Gerda Dyrenhoff sah ihnen gespannt und erwartungsvoll entgegen. In ihrem Blick lag eine gewisse Unsicherheit, als gelte es, den Mann, den sie erwartete, nach einer undeutlichen Personenbeschreibung oder nach einem Amateurfoto zu erkennen. Zweimal passierte es ihr, daß sie Herren anlächelte, die das Lächeln freundlich zurückgaben, aber gleichzeitig die Schultern hoben, als bedauerten sie es außerordentlich, dieses freundliche Entgegenkommen leider einem Mißverständnis zu verdanken. Aber dann gab es für sie keinen Zweifel mehr, obwohl der Mann, der als letzter Passagier die Maschine verließ und sich oben an der Treppe noch mit ein paar Scherzen von der bildhübschen Stewardeß verabschiedete, ziemlich weit von dem Bilde entfernt war, das sich Gerda von ihrem Bruder Werner gemacht hatte. Es war fast unglaublich, daß zehn Jahre ihn so sehr verändert hatten. Er war immer lang gewesen, ein Schlaks von einem Meter siebenundachtzig, aber dürr wie ein Hecht, und jetzt kam da ein Mannsbild daher, gegen den ihr Dyrenhoff mit seinen neunzig Kilo — zwanzig Kilo zuviel! — das reinste Filigranfigürchen war. Was er für Schultern bekommen hatte! Und dazu dieser Anzug! Wenn sie Zeit gehabt hätte, den Gedanken fortzuspinnen, wäre sie fast in Verlegenheit geraten, ihr Bruder Werner sah dem Reklamechef eines

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