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Eine Frau mit Geheimnis

Eine Frau mit Geheimnis

Titel: Eine Frau mit Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: JOANNA MAITLAND
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„Und bei Borodino haben Sie einem Offizier das Leben gerettet.“
    Nach einem tiefen Atemzug erläuterte der junge Mann: „Er war verwundet, Majestät. Und ich verscheuchte nur die Feinde mit meiner erhobenen Lanze.“
    „Und Sie gaben dem verwundeten Offizier Ihr Pferd?“
    „Eh – ja, Majestät.“ Borisow erwähnte nicht, seine Satteltaschen seien gestohlen worden, als er das Pferd zurückbekam und dass er fast erfroren sei, weil er dem Offizier auch seinen Mantel überlassen hatte.
    „Das Leben eines Offiziers zu retten, ist eine sehr verdienstvolle Tat, Borisow. Deshalb wurden Sie hierher beordert, um das Georgskreuz entgegenzunehmen, und …“, der Zar kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und ergriff ein Blatt Papier, „… und aus einem anderen Grund.“
    Borisow begann zu schwanken. Nein, bitte, nicht …
    „Hier habe ich den Bittbrief eines unglücklichen Vaters. Graf Iwan Kuralkin ersucht mich, ihm bei der Suche nach seinem geliebten Kind zu helfen. Vor über zwei Jahren lief dieses Kind davon und schloss sich unter falschem Namen der Kavallerie an. Nun hofft der Vater, man würde das Kind, den Trost seines Alters, aufspüren und nach Hause schicken. Glauben Sie, ich kann den Wunsch des armen Mannes erfüllen, Borisow?“ Der Zar legte das Blatt Papier auf den Tisch zurück.
    Der junge Mann rang nach Luft und ahnte, dass seine Miene wachsende Panik verriet.
    „Haben Sie eine Meinung zu diesem Fall, Borisow?“ Der Zar schaute ihn durchdringend an.
    „Das … würde ich mir nicht anmaßen, Majestät.“
    Der Zar nickte, als wollte er eine vernünftige Antwort anerkennen, und schlenderte zu den hohen Fenstern, die zum Palastgarten hinausgingen. Einige Minuten lang schien er die Pflanzen zu betrachten, dann drehte er sich abrupt um. „Man hat mir erzählt, Sie seien eine Frau, Borisow“, sagte er so leise, dass seine Stimme den Soldaten kaum erreichte. „Ist es so?“
    Wie gelähmt stand Borisow da. Nur seine Lippen bewegten sich. Aber er brachte keinen einzigen Laut hervor.
    Langsam durchquerte der Zar den Raum und blieb dicht vor dem Soldaten stehen. Sein Blick wirkte weder ärgerlich noch abweisend – eher fasziniert. Und er wartete offensichtlich auf eine Antwort.
    Es war unmöglich, den Zaren zu belügen. „Ja, Majestät, es ist wahr“, würgte Borisow hervor und machte sich auf ein Donnerwetter gefasst.
    Doch der Zar klopfte lächelnd auf die Schulter des Soldaten. „Niemals hätte ich gedacht, eine Frau würde so viel Mut und Kampfgeist beweisen. Sie geben meinem Heer ein leuchtendes Beispiel. Alexandra Iwanowna Kuralkina, ich gratuliere Ihnen“, fügte er hinzu und heftete das Georgskreuz an die Uniform der jungen Frau. Dann küsste er sie auf beide Wangen, kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und griff wieder nach dem Brief. „Da Sie meine Frage vorhin nicht beantworten wollten, treffe ich eine Entscheidung. Der Zar persönlich wird Sie ehrenvoll aus seinem Heer entlassen und der Obhut Ihrer Familie anvertrauen.“
    Nein! O nein! Würde er sie tatsächlich zu ihrem Vater und ihrer Stiefmutter zurückschicken?
    Sie war vor der Hochzeit mit einem Mann geflohen, den sie nie gesehen hatte. Zweifellos würde die Stiefmutter sie sofort einem anderen verkaufen. Für immer würde sie ihre Freiheit verlieren. Ein solches Schicksal wäre unerträglich. Impulsiv kniete sie vor dem Zaren nieder. „Majestät, ich flehe Sie an – zwingen Sie mich nicht zur Heimkehr! Lieber sterbe ich für Sie auf dem Schlachtfeld. Erlauben Sie mir, weiterhin in Ihrem Heer zu kämpfen.“
    Die Stirn gerunzelt, schaute der Zar auf Alexandra hinab. „Wie alt sind Sie?“, fragte er und bedeutete ihr aufzustehen.
    Verblüfft gehorchte sie. Diese Frage hatte sie nicht erwartet. „Zweiundzwanzig, Majestät.“
    „Oh, tatsächlich? Sie sehen eher wie sechzehn aus.“ Nach einer kurzen Pause fragte er: „Was würden Sie denn gern tun, wenn alles auf dieser Welt möglich wäre?“
    „Am liebsten würde ich Ihnen weiterhin in einem Ihrer Kavallerieregimente dienen, Majestät.“
    „In einem bestimmten?“
    Sie zögerte. Meinte er das ernst …? „Wenn ich die Wahl hätte, Majestät – in einem Husarenregiment.“ Vor ihrem geistigen Auge erschien sie selbst, in einer Husarenuniform, mit gezücktem Säbel, während einer gewaltigen Attacke …
    „Als Offizier?“, erkundigte er sich lächelnd.
    Dieser ungewöhnliche Vorschlag beschleunigte Alexandras Puls. Nur Männer von aristokratischer Herkunft wurden zu

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