Eine fremde Welt 2 - Peter
blickt in die Ferne, keiner kommt an sie heran. Sie reagiert auf
niemanden. Mum ist außer sich vor Sorge, wir alle sind außer uns. Sie
verweigert alles, Essen, Trinken, Hilfe, Tabletten, einfach alles. Jonathan,
ich weiß mir nicht mehr zu helfen. Bitte hilf ihr, bitte hilf uns.«
Ich bin erschüttert, mit viel habe ich gerechnet, aber nicht damit.
Fiona, dieser zarte Schmetterling. Ich mochte sie von Anfang an. Aber
sie ist jung. Ich dachte, zu jung für mich. Ich wollte ihr noch etwas Zeit
geben.
Ich nehme mir die Akte, Steven tigert durch den Raum, komplett
unruhig. Als ich die Fotos sehe, zieht sich alles in mir zusammen. Mein
Gott, was haben diese Schweine mit ihr gemacht.
Ganz automatisch sage ich zu Steven: »Ich hole sie her, zu mir in die
Klinik, ich bereite alles vor. Es wird aber nach meinen Regeln gespielt.
Sie wird euch nicht sehen wollen. Das akzeptiere ich. Sie wird hier
bestens versorgt werden, Steven. Aber wir spielen bei dieser Sache nach
meinen Regeln.« Er atmet tief durch und ich höre nur ein leises »Danke.«
»Kann ich die Akte behalten?« »Ja.« »Ich brauche sämtliche
Untersuchungsergebnisse, Blutwerte, einfach alles, keine Kurzberichte,
sondern alle Unterlagen. Ich schreibe den Bericht selbst.
Zusammenfassungen können sich die Ärzte schenken.« Steven ist schon
am Telefon, bellt die Befehle geradezu in sein Handy. Dann ruft er Peter
an. »Er holt sie raus aus dem Krankenhaus.«
Auf der Fahrt nach Italien regle ich in der Klinik, in meiner Klinik,
alles. »Meeting um zwanzig Uhr, wir bekommen eine neue Patientin. Sie
ist mir zugeteilt, meine persönliche Patientin. Bereitet die
Schmetterlingssuite vor. Sie mag Gelb und Grün, also entsprechend die
Bettwäsche und die Blumen.« Zu Steven gewandt sage ich: »Schick mir
ihre ganz persönlichen Sachen. Kissen, Stofftiere, lass das am besten
Beth machen. Sie weiß so was. Schnüffelt nicht in ihren Sachen herum,
nur das, was ihr ganz persönlich gehört, bringst du mir, verstanden?«
»Ich erledige das.«
Im Krankenhaus angekommen, kommen mir Peter und ihre Eltern
entgegen. Ich lasse alle links liegen. Mein Fokus ist jetzt auf meine
Patientin gerichtet. »Gehen Sie bitte nach Hause. Lassen Sie uns jetzt
alleine. Ich kümmere mich um Ihre Tochter. Ich kümmere mich um
Fiona. Aber, wie ich Steven schon erklärt habe, nach meinen Regeln.
Bitte gehen Sie jetzt. Sie will niemanden sehen, also wird sie das auch
nicht müssen. Ich rufe Sie an.«
Als ich ihr Zimmer betrete und sie sehe, zieht sich mein Herz
zusammen. Sie ist nur noch ein Schatten. Ihre Augen blicken wie tot.
Wie oft habe ich schon solche Blicke gesehen. Welchen Schmerz. Aber
bei ihr tut es mir selber weh, körperlich weh.
»Hallo Fiona, du siehst nicht gerade supertoll aus.
Dein Bruder Steven hat mich geholt und mir gesagt, dass es dir nicht so
gut geht im Moment. Er meinte, du benötigst meine Hilfe.« Ich rede
einfach weiter, weiß, dass das die beste Methode ist.
»Ich werde dir jetzt einen Vorschlag machen. Du kannst hierbleiben,
weiter so traurig und leer hier sitzen, alles verweigern und das mit dem
Selbstmordversuch nochmals probieren. Oder du vertraust mir und
gehst mit mir. Ich werde dir deine Schuhe anziehen, den Bademantel
reichen und wir zwei gehen jetzt nach draußen in mein Auto. Dort
nimmst du eine Tablette, damit du schlafen kannst, bis wir in meiner
Klinik in Genf ankommen. Dort wirst du Ruhe finden, niemand darf
dich besuchen, dort bist nur du, ein paar wenige Patienten, gute Ärzte,
die sich um dich kümmern. Wir werden dich untersuchen, dich
körperlich nochmals untersuchen müssen. Das wird so sorgfältig und
schnell gemacht werden, wie es geht, und wird dir nicht sehr wehtun. Es
wird dich emotional vermutlich mitnehmen. Aber das kannst du
durchhalten, da bin ich mir sicher. Danach lasse ich dich in Ruhe, du
kannst dich ausruhen, zu dir kommen.
Ich werde dich nicht überfordern, dich zu nichts drängen. Fiona! Hör
mir gut zu, das Einzige, was du mir versprechen musst und mir
zusichern wirst, ist, dass du nicht mehr Hand an dich legst. Bei mir gibt
es keine Überwachung, keine Regeln. Wenn du um zwölf nichts essen
willst, lass es sein und ess um fünfzehn Uhr, aber essen musst du. Du
musst dir im Klaren sein, wenn du zu mir kommst, dass du dafür Sorge
zu tragen hast, dass es dir wieder besser geht. Körperlich besser geht, um
den Rest kümmern ich und mein Ärzteteam uns.
Fiona?« Ich
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