Eine Freundschaft im Winter
Brandopfer zu sammeln. Wann auch immer jemand irgendetwas brauchte – Barb war zur Stelle.
Mike seufzte. »Nein. Das ist ihr erstes Thanksgiving ohne ihre Mom. Vielleicht muss sie einfach nur ein wenig allein sein. Wir sollten abwarten, ob sie nicht von selbst wieder auftaucht.«
Pete klopfte Mike aufmunternd auf die Schulter. »Ich bin mir sicher, dass es ihr gut geht.«
»Ja, bestimmt«, sagte Mike. »Aber wenn ich sie in die Finger kriege, wird es ihr nicht mehr so gut gehen.«
Pete und Ben hörten, wie leer diese Drohung klang.
Gegen Feierabend zählte Jill die Leute, die sie an diesem Tag im Sanitätsraum versorgt hatte. Es waren zweiundfünfzig gewesen. Thanksgiving war genauso hektisch, wie sie es in Erinnerung hatte. Ganz zum Schluss tauchte noch ein Krankenwagen auf, der einen Mann mit Herzproblemen ins Krankenhaus fahren sollte, den Tom und Jason gerade mit der Gebirgstrage vom Berg hinunterbefördert hatten.
»Hallo, Mike«, sagte Tom und reichte einem der Sanitäter eine Kopie seines Berichtes und das Ergebnis des EKG s, während sie den Mann auf die Trage legten.
»Danke«, entgegnete Mike. »Übrigens, Cassie ist heute Morgen weggelaufen, und seitdem hat niemand sie mehr gesehen. Ich vermute, dass sie irgendwo auf dem Berg ist. Allmählich wird es dunkel. Könntet ihr die Augen offen halten? Ich werde Bescheid geben, sobald sie auftaucht.«
Tom griff nach seinem Funksprechgerät. »Ich kümmere mich darum.«
»Und wenn ihr jemanden kennt, der sich etwas dazuverdienen will, meldet euch. Cassies Kindermädchen hat gekündigt, und ich kann es ihr nicht mal verübeln«, sagte Mike und beeilte sich, den Patienten zum Rettungswagen zu bringen.
Unterdessen bat Tom sein Team über Funk, nach Cassie Ausschau zu halten.
Cassie schreckte aus dem Schlaf hoch, als Howard die Tür öffnete. Er neigte den Kopf ein bisschen, sodass seine Helmlampe ihr nicht direkt in die Augen leuchtete und sie blendete. Dann nahm er sein Walkie-Talkie in die Hand und sagte: »Ich habe die Kleine gefunden.«
In dem Moment wusste Cassie, dass sie in Schwierigkeiten steckte. »Ich schätze, ich bin wohl eingeschlafen«, murmelte sie und stand auf.
Howard nickte, als wäre es nicht weiter schlimm. »Tja, dann komm mal mit, meine Kleine. Die Leute suchen schon nach dir.«
Cassie nahm ihre Skier, die in der Ecke an der Wand lehnten. Sie ging aus der Hütte, schloss die Tür hinter sich, hängte den Schlüssel zurück an den Nagel und stieg in ihre Skier. Howard ließ ebenfalls die Bindungen einklicken. Eigentlich wartete Cassie darauf, dass er sie zur Rede stellte, doch er schien nichts dergleichen vorzuhaben. Er blickte nur den Abhang hinunter und wartete geduldig. Irgendwie hatte Cassie das Gefühl, ihm eine Erklärung geben zu müssen, gerade weil er sie nicht darum bat. »Ich wollte Thanksgiving mit meiner Mom verbringen«, sagte sie so leise, dass es kaum lauter war als ein Flüstern.
»Das ist doch klar«, entgegnete Howard. Er machte eine kurze Pause. »Vielleicht ist auf der Wache noch etwas Essen übrig geblieben. Wir sehen gleich mal nach. Fertig?«
Cassie nickte. Sie wusste, dass sie auf der Feuerwehrwache nur Ärger erwartete – und keine Reste vom Thanksgiving-Essen.
Howard fuhr mit der Helmlampe langsam voraus, und Cassie folgte ihm. Als sie am Fuße des Berges ankamen, brachten sie Cassies Skier nach Hause und gingen dann zurück in die Stadt.
Irgendwann durchbrach Cassie das Schweigen und fragte: »Wenn das Paradies im Himmel ist, warum gehen die Menschen dann durch einen Tunnel ins Licht und fahren nicht mit einem Aufzug nach oben?« Howard konnte im Gegensatz zu anderen Erwachsenen locker und sachlich über diese Themen sprechen. Cassie hatte außerdem das Gefühl oder vielleicht auch die Hoffnung, dass Howard etwas wusste, das sonst niemand wusste.
Er kratzte sich am Kinn. Er war ein kräftiger Mann mit einem besonnen und friedvoll wirkenden Gesicht. »Gute Frage«, sagte er. »Was meinst du?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Cassie.
»Es gibt Menschen, die glauben, dass das Paradies nicht hoch oben im Himmel ist, sondern nur ein paar Meter über dieser Dimension«, sagte Howard.
»Wie soll das gehen?«, fragte Cassie.
Er zuckte die Schultern. »Da ist nichts Festes, alles ist in Bewegung.«
Cassie warf ihm einen skeptischen Blick zu und verfiel wieder in Schweigen. Ihre Beunruhigung, ihrem Vater gegenüberzutreten, wuchs von Sekunde zu Sekunde.
Auf der Wache machten die Männer sich gerade
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