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Eine für alle

Eine für alle

Titel: Eine für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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nicht auf eine Spindel oder ein anderes Mordinstrument fiel.
    Bis auf die Heizkörper an den Wänden war der Boden unter mir leer. Ich drehte mich um, packte den Sims, so gut es ging, streckte die Beine nach 'unten und ließ los.
    Ich landete mit einem leisen Aufprall, der mir in die Knie fuhr. Ich rieb mir die wunden Handflächen und ging hinter einem der hohen Arbeitstische in die Hocke, wartete ab, bis ich sicher war, dass der Lärm niemanden alarmiert hatte.
    Der Montageraum hatte ein einfaches Riegelschloss, das nach innen aufging. Ich ließ es offen, als ich hinausging: Ich wollte kein einziges Schloss knacken müssen, wenn ich einen schnellen Fluchtweg brauchte. Auf dem Flur war niemand. Ich blieb einen langen Augenblick an der Tür stehen, lauschte angespannt nach Atemzügen oder einem unruhigen Zucken auf dem Zementboden. Zwischen mir und den Lastwagen lag die ganze Breite der Fabrik. Ich konnte ihre Motoren schwach vibrieren hören. Sonst war alles ruhig.
    Die Notbeleuchtung tauchte die Fabrik in einen schwachen grünen Schimmer, als läge sie unter Wasser. Die Dunkelheit trübte mein Orientierungsgefühl; ich konnte mich nicht erinnern, wie man vom Montageraum ins Büro des Fabrikleiters kam. Ich bog in einem Verbindungsflur falsch ab. Plötzlich klangen die Dieselmotoren sehr laut: Ich kam zu dem Korridor, der zur Laderampe führte. Ich blieb sofort stehen und ging auf Zehenspitzen zur Ecke.
    Ich schaute in die Zementhöhle, die mit den Ladeluken verbunden war. Wieder kam das einzige Licht von der grünen Notbeleuchtung. Ich konnte nicht deutlich sehen, glaubte aber nicht, dass jemand dort war.
    Obwohl die Wellblechtore der Luken immer noch verschlossen waren, sickerte der Dieselgeruch hindurch. Ich rümpfte die Nase und versuchte, ein Niesen zu unterdrücken. Es kam als gedämpfte Explosion heraus.
    Im selben Augenblick ging über meinem Kopf eine zweite Explosion los. Mein Herz hämmerte gegen die Rippen, und meine Waden wurden weich. Ich zwang mich, stillzustehen, meine Gegenwart nicht zu verraten, indem ich einen Satz machte oder den Flur entlang zurückrannte. Und eine Sekunde später kam ich mir wie ein Idiot vor: Der Motor eines riesigen Portalkrans war angesprungen. Er schepperte wie eine Gießerei unter Volldampf.
    Die Schienen des Krans zogen sich an der hohen Decke entlang. Sie verliefen parallel zwischen einem breiten Betonsims etwa auf Zweidrittelhöhe der Wand über den Lukentüren. Zwei senkrechte Schienen, an denen riesige Kräne hingen, verbanden den Sims und die Türen. Vermutlich führte der Betonsims zu einem Lagerraum.
    Bei einem früheren Besuch war mir die Eisentreppe im Eingangsbereich aufgefallen, die in ein zweites Stockwerk führte, vermutlich in den Bereich, der mit dem Kran versorgt wurde. Mir kam es nicht besonders effektiv vor, schweres Material im ersten Stock aufzubewahren, wenn die gesamte Arbeit darunter erledigt wurde. Aber vielleicht war es das Beste, was sie auf beschränktem Raum tun konnten; der Kanal war so dicht bebaut, dass sie nicht expandieren konnten.
    Als ich im trüben Licht die Augen zusammenkniff, um den Weg des Krans zu verfolgen, fiel mir eine Bewegung über mir auf. Jemand war aus der Finsternis im oberen Stockwerk aufgetaucht und stieg eine in die Wand eingebaute Stahlleiter herunter. Er schaute sich nicht um, sondern ging sofort zu den Luken und schloss die Türen auf. Ich kam mir auf unangenehme Weise exponiert vor und zog mich rückwärts über den Flur zurück. Ich war kaum ein paar Schritte vom Zugang zurückgewichen, als Licht die Ladehöhle überflutete.
    Ich schaute nervös über die Schulter. Niemand war hinter mir. Ich drehte mich um und sprintete den Flur entlang, dicht an der Südwand, damit ich so weit wie möglich außer Sichtweite blieb.
    Als ich zurück zum Hauptflur kam, blieb ich stehen, um Luft zu holen und mich zu orientieren. Wenn ich rechts abbog, kam ich zu einer T-Kreuzung; von dort aus konnte ich die Verwaltungsbüros erreichen. Oder ich konnte nach links gehen, was mich zum Vordereingang mit der Eisentreppe nach oben geführt hätte.
    Das Problem war, dass ich an beide Orte wollte. Wenn Leute mitten in der Nacht in einer leeren Fabrik Lastwagen beladen, hat das eine nähere Untersuchung verdient. Wenn ich mich zuerst für das Büro entschied, waren sie vielleicht mit dem, was sie bei den Lastwagen zu tun hatten, fertig, ehe ich zurückkam. Andererseits, falls mich jemand beim Beobachten der Lastwagen sah, würde ich fliehen

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