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Eine für alle

Eine für alle

Titel: Eine für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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spielte es da für eine Rolle, ob Mrs. Tertz Chrissie anrief?
    Ich nahm die Broschüre aus Mrs. Tertz' zögernden Fingern und blätterte die vier Seiten durch. Sie wollte sie mir nicht ausleihen, nicht einmal für den Nachmittag, deshalb las ich sie gründlich, während Mrs. Tertz schwer atmend über meinen Arm schaute.
    Tut Ihr Geld genug für Sie? stand in knalliger Schrift auf der Titelseite.
    Innen wurde auf die Nöte von Menschen aufmerksam gemacht, die mit einem knappen Einkommen auskommen mussten.
    »Haben Sie Ihre Ersparnisse in Spareinlagen angelegt? Vielleicht hat Ihr Bankberater oder Ihr Börsenmakler Ihnen erzählt, das sei jetzt, wo Sie im Ruhestand leben, der beste Ort für Ihr Geld. Kein Risiko, haben sie Ihnen vermutlich erzählt. Aber das bringt auch nichts ein. Vielleicht glaubt Ihr Bankberater, weil Sie im Ruhestand leben, haben Sie die Investitionen nicht verdient, die junge Leute machen können. Aber die Einlagen, die er Ihnen verkauft hat, wachsen nicht so schnell, dass Sie teure Pflege bezahlen können, falls Sie sie brauchen. Oder die Traumreise, die Sie sich wünschen. Sie brauchen risikofreies Geld, das hohe Einnahmen abwirft.«
    Links war das abschreckende Foto einer alten Frau in einem heruntergekommenen Pflegeheimbett zu sehen, während rechts ein älteres Ehepaar mit Golfschlägern verzückt auf den Ozean schaute.
    »Genauso sicher wie Bundesanleihen«, posaunte der Text. »Die U. S. Metropolitan kann Ihnen Anlagen anbieten, die bis zu 17 Prozent Zinsen bringen - und Sie könn en Ihre Sorgen vergessen.«
    »Genauso sicher wie Bundesanleihen«, wiederholte ich laut. »Nicht abgesicherte Obligationen, die nicht die Bohne einbringen und für neunzehn Dollar statt hundert gehandelt werden.«
    Die Bitterkeit in meiner Stimme erschreckte Mrs. Tertz, die mir die Broschüre wegnahm. »Wenn Sie wütend darüber werden, darf ich Ihnen nicht erlauben, sich das anzuschauen; das wäre Chrissie gegenüber nicht fair.«
    Ich versuchte zu lächeln, spürte aber, wie sich mein Mund verzog. »Chrissie mag die besten Absichten gehabt haben, aber sie war nicht besonders fair zu Mrs. Frizell. Ich hoffe, nicht allzu viele Leute in der Gegend haben von ihr oder Vinnie Investitionen gekauft. Sonst gehört den beiden bald fast die ganze Straße.«
    Sie biss sich unbehaglich auf die Lippen, sagte aber, sie glaube, es sei Zeit, dass ich ging. Als sie mich schnell durch das Haus zur Vordertür führte, hörte ich, wie sie leise den Fehler beklagte, den sie gemacht habe. Ich meinte, sie spreche darüber, mich ins Haus gelassen zu haben, nicht über den Kauf von Ramschobligationen.
    Als ich nach draußen kam, hatte sich die Hitze etwas gelegt, aber meine Bluse wurde auf dem kurzen Weg nach Hause trotzdem am Hals und unter den Achselhöhlen nass. Der perfekte Appell an einen einsamen Menschen, der unter Verfolgungswahn leidet - Ihr Bankberater betrügt Sie, bloß weil Sie alt sind. Und Ihre neue Geldanlage ist so sicher wie eine Bundesanleihe.
    Als ich an Vinnies Wohnungstür vorbeikam, hätte ich sie am liebsten eingetreten, sein Zuhause so beschädigt, wie er das von Mrs. Frizell geschädigt hatte. Ich war im letzten Jahr mehrmals in seiner Wohnung gewesen; ich wusste, dass sie angefüllt war mit teurer moderner Kunst. Eine fast so gute Geldanlage wie Bundesanleihen. Denk dir aus, wie du das Zeug ersetzt, dachte ich schwer atmend, als ich mir vorstellte, wie ich die Kunstwerke zerstörte. Ich versetzte der Tür sogar einen heftigen Tritt, der einen Schmierstreifen auf der Fassung hinterließ. Schon das würde ihn zum Wahnsinn treiben: Er hatte sie selbst abgeschliffen und eierschalenweiß gestrichen. Wir anderen waren zufrieden mit dem dunklen Lack, der die Grundausstattung war.
    Oben schloss ich auf, vergaß die neue elektronische Alarmanlage, bis ein hohes Pfeifen mich aufschreckte, als ich ein Glas Wasser hinunterstürzte. Ich rannte den Flur entlang zur Vordertür und drückte die Zahlen, um die Anlage auszuschalten. Ich hoffte, ich sei schnell genug gewesen, dass mir ein Besuch von den Cops erspart blieb. Ich ging in die Küche zurück und ließ mir ein zweites Glas Wasser einlaufen. Ich trank es langsamer, nahm es mit, als ich ins Wohnzimmer ging, um Max anzurufen. Ich zog die Schuhe und die Socken aus und massierte mir die Zehen. Die Halbschuhe gaben nicht genug Halt; mir taten die Füße weh, wenn ich in ihnen herumlief.
    Ich zog die Beine unter mich und lehnte mich mit geschlossenen Augen im Sessel zurück.

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