Eine für alle
Wenn es die schwer arbeitende, edle Presse nicht gäbe, wo wären dann wir armen Arbeitstiere?«
»Im Kanal, wo du hingehörst. Auf bald, Warshawski.«
Ich aß das Sandwich auf, bevor ich Max im Krankenhaus anrief. Mr. Loewenthal sei in einer Besprechung; ob seine Sekretärin ihm etwas ausrichten könne? Ich wollte meine Nummer nicht nennen, weil Max sonst vergeblich hinter mir hertelefoniert hätte. Seine Sekretärin meinte schließlich, wenn ich um vier wieder anriefe, könne ich ihn vermutlich erreichen.
Die Gedanken an Max brachten Lotty wieder aus der Verdrängung, in die ich sie verbannt hatte, in den Vordergrund meines Bewusstseins. Ich rief in der Praxis an und sprach mit Mrs. Coltrain. Lotty arbeitete mit der neuen Schwester in einem der Untersuchungsräume - kein guter Zeitpunkt zum Stören. Mrs. Coltrain versicherte mir, sie wolle sie von meinem Anruf unterrichten.
Ich ging langsam ins Schlafzimmer. Je länger Lotty und ich nicht miteinander sprachen, desto schwieriger wurde die Versöhnung.
Ich vertauschte das dünne T-Shirt, das ich nach dem Baden angezogen hatte, mit einem BH und einer tiefrosa Seidenbluse. An einem schwülen Tag ist ein BH fast so schlimm wie eine Schulterhalfter, aber ich wollte meine älteren Nachbarn nicht schockieren. Als ich die Halfter umschnalle n wollte, fiel mir ein, dann müsse ich auch eine Jacke tragen, was hieß, dass ich vor Schweiß getrieft hätte, ehe ich auch nur die Straße überquert hatte. Ich konnte doch bestimmt am hellen Tag unbewaffnet in der Nachbarschaft herumlaufen. Ich ließ die Pistole auf dem Bett liegen. Auf dem Weg hinaus wollte ich an Mr. Contreras' Tür klopfen, zögerte und ging dann, ohne ihn zu stören. Peppy hatte laut gebellt, als ich dort stand: Er hätte aufmachen können, wenn er gewollt hätte.
Mir ging auf, dass ich heute noch keinen Streifenwagen in meinem Abschnitt der Racine Avenue gesehen hatte. Vielleicht hatte sich Conrad Rawlings gestern Abend so über meine Bemerkungen geärgert, dass er mir den schützenden Arm entzogen hatte. Meine Freude darüber, dass ich meine Fähigkeit, auf mich selbst aufzupassen, auf die Probe stellen konnte, war nicht so groß, wie sie hätte sein sollen. Fast wäre ich zurückgegangen und hätte die Pistole geholt.
43
Starkstrommarketing
Ich wartete so lange an der Tür von Mrs. Tertz, dass ich schon dachte, sie sei nicht da. Als sie schließlich aufmachte, das Gesicht von der Hitze gerötet, entschuldigte sie sich und sagte, sie sei auf der Hinterveranda gewesen und habe Briefe geschrieben. »Die Veranda geht nach Osten, deshalb gibt es dort um diese Tageszeit eine leichte Brise. Im Sommer wohne ich praktisch da draußen. Was kann ich für Sie tun, Liebes?« »Ich wollte mit Ihnen über Mrs. Frizells Lage sprechen. Haben Sie einen Augenblick Zeit?«
Sie lachte leise. »Ich glaube schon. Aber wenn Sie meinen, Sie könnten Mrs. Frizells Probleme im Handumdrehen lösen, zeigt das nur, dass Sie erst noch erwachsen werden müss en. Aber kommen Sie herein.«
Ich folgte ihr durch einen winzigen, auf Hochglanz polierten Flur in die Küche. Die Luft im Haus, in der Reinigungsmittel und Möbelpolitur hingen, verdichtete sich in der Küche so, dass ich kaum atmen konnte. Kleine Schweißperlen liefen mir auf den Blusenkragen, bis Mrs. Tertz die Hintertür wieder aufgeschlossen hatte. Ich folgte ihr dankbar hinaus. Die Veranda war groß und angenehm, mit chintzbezogenen Möbeln, deren Blumen durch jahrelangen Gebrauch verschossen waren. Auf einem Teewagen standen ein Fernseher, eine Warmhalteplatte und ein Toaster. Als Mrs. Tertz sah, dass ich den Teewagen anschaute, schüttelte sie bedauernd den Kopf und erklärte, die Sachen müssten abends in die Küche gerollt werden.
»Früher haben Abe und ich sie den ganzen Sommer lang draußen gelassen, aber heutzutage gibt es zu viele Einbrüche. Wir können es uns nicht leisten, Wände hochziehen zu lassen, um die Veranda zu sichern, also behelfen wir uns, so gut es geht.« »Sie halten keinen Hund mehr? Mrs. Hellstrom hat mir erzählt, dass Sie früher von Mrs. Frizell schwarze Labradors gekauft haben.«
»O ja. Und meine Enkel spielen mit Hunden, die von diesen Labradors abstammen. Aber wissen Sie, man braucht Kraft, um einen so temperamentvollen Hund auszuführen. Als unser alter Knabe vor fünf Jahren starb, haben Abe und ich gemeint, wir haben einfach nicht mehr die Kräfte für einen neuen. Aber sie fehlen uns. Manchmal möchte ich - aber Abe hat
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