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Eine für alle

Eine für alle

Titel: Eine für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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verklagen. Es kommt mir einfach wie viel zu viel Arbeit vor.«
    Sie gab mir die Schlüssel, die wir im Wohnzimmer ausgebuddelt hatten, und verließ sich darauf, dass ich sofort mit der Abendschicht anfing. »Werfen Sie die Schlüssel einfach in meinen Briefschlitz, wenn Sie fertig sind. Ich lasse Nachschlüssel machen, während Sie fort sind, und werfe sie in Ihren Briefkasten. Nein, vielleicht sollte ich sie dem netten Mann geben, der unter Ihnen wohnt. Er wirkt zuverlässig, und ich lasse ungern Hausschlüssel herumliegen.«
    Ich fragte, ob sie wisse, in welchem Krankenhaus Mrs. Frizell lag. »Sie haben sie ins Cook County gebracht, Liebes, weil sie nicht versichert ist - sie war nicht mal Mitglied bei Medicare -, das macht einen nachdenklich, nicht wahr? Ich weiß nicht, was wir machen, wenn mein Mann in Rente geht. Er hat das für nächstes Jahr vorgehabt. Dann ist er achtundfünfzig, und irgendwann ist es ja mal genug, aber wenn man sieht, was aus alten Menschen wird - jedenfalls versuche ich morgen vielleicht, Mrs. Frizell zu besuchen. Man sollte ja meinen, dass ihr Sohn - aber natürlich hat er es nicht leicht gehabt, als er in diesem Haus groß geworden ist. Konnte es nicht erwarten wegzukommen, und das ist ja auch kein Wunder, wenn man mitkriegt, wie sie ist. Sein Daddy hat es auch nicht ausgehalten; ist einen Monat, ehe der Junge geboren wurde, abgehauen.«
    Ich nahm die Schlüssel entgegen, bevor sie ihre Ausführungen vertiefen konnte. Die Hunde begrüßten mich mit einer Mischung aus Misstrauen und Begeisterung. Sie stürzten mir entgegen, als ich die Tür aufmachte, zogen sich dann Richtung Küche in den Flur zurück, knurrend und drohend. Weil der Labrador der Rudelführer war, konzentrierte ich mich auf ihn, ging in die Hocke, damit er meine Hand beschnüffeln und sich daran erinnern konnte, dass wir uns kannten.
    »Bloß in Nylons und Pumps habt ihr mich noch nie gesehen. Was bin ich doch für eine Irre«, teilte ich der Gruppe mit. »Dass ich mich überhaupt erboten habe, mich um euch zu kümmern, und dann auch noch in meiner Arbeitskleidung.«
    Sie wedelten zustimmend mit den Schwänzen. Ich überlegte, ob ich nach Hause gehen und Jeans und die abgelatschten Nikes anziehen sollte, aber ich wollte heute Abend nicht noch einmal in diesen Dreck zurückkehren. Die Nachmittagssonne hob Flecken auf der Tapete hervor, die gestern Abend im trüben Flurlicht nicht zu sehen gewesen waren. Dem Aussehen und dem Geruch nach war Wasser durch das Dach in die Wände gesickert. Die Sonne beleuchtete zudem noch den Schmutz, der die Böden und jede andere Fläche überzog.
    Ich nahm den Labrador an die Leine und führte das Quintett die Racine Avenue in Richtung Belmont entlang. Er zog am Halsband, aber ich behielt ihn fest im Griff: Ich hatte nicht vor, die Nacht damit zu verbringen, in der Nachbarschaft nach ihm zu suchen. Die anderen vier brauchte ich nicht anzuleinen; sie folgten treu ihrem Rudelführer. Wenn Peppy nicht gerade Junge hat, laufen wir gemeinsam acht Kilometer zum Hafen und zurück. Ich hatte keine Lust, in Mrs. Frizells Menagerie so viel Energie zu investieren; ich führte sie einmal um den Block herum, gab ihnen Futter und Wasser und schloss sie ein. Sie heulten jämmerlich, als ich ging. Ich hatte ein etwas schlechtes Gewissen, aber ich wollte sie nach dem Wochenende nicht mehr auf dem Hals haben. Wenn ich aus Pittsburgh zurückkäme, würde ich mich nach dem Zustand von Mrs. Frizell erkundigen und versuchen, eine Lösung für die Betreuung der Hunde zu finden, bis sie wieder auf den Beinen war. Ich würde ihren so überaus hilfsbereiten Sohn Byron anrufen und herausbekommen, in welchem Maß er sich finanziell für sie starkmachen wollte und ob wir Geld für einen professionellen Hundebetreuungsdienst bekämen.
    In meiner Wohnung sank ich dankbar in die blitzsaubere Badewanne. Ich fragte mich, ob Mrs. Frizells abschreckendes Beispiel mich dazu bewegen würde, meine Gewohnheiten zu ändern.
    »Nein«, sagte Lotty, als ich später am Telefon über diesen Gedanken mit ihr sprach. »Vielleicht schaffst du es eine Woche lang, Ordnung zu halten, aber dann sammelt sich das Chaos wieder an ... Carol sagt, sie war gestern Abend bei dir, um mit dir über ihre Pläne zu sprechen. Gehst du mir jetzt auch an die Gurgel wie Max?« »Nein«, sagte ich langsam. »Aber ich habe auch nicht vor, mit ihr zu streiten. Vielleicht sind wir beide zu allergisch gegen familiäre Bindungen, gegen die Bindungen, die einen

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