Eine für alle
gedacht. Erst hat mich das nicht weiter beschäftigt. Ehrlich gesagt, ich hab kehrtgemacht und wollte zur Bushaltestelle, als Mrs. Polter - das ist die Hausbesitzerin, wissen Sie, es ist eine richtige Pension, Schlafplätze für sieben, acht Männer, und sie macht ihnen Frühstück. Jedenfalls ruft sie hinter mir her, denkt, ich suche ein Zimmer, und ich sage ihr, ich suche Mitch.«
Er brauchte gute zehn Minuten, bis alles heraus war. In Kürze sah es danach aus, als wäre Kruger nicht wieder in der Pension gewesen, seit er sich am Montagnachmittag dort eingemietet hatte. Er hatte Mrs. Polter versprochen, am Dienstagmorgen zu bezahlen, und sie wollte ihr Geld. Sonst solle Mr. Contreras Krugers Sachen mitnehmen, damit sie das Bett einem anderen geben könne. Mr. Contreras blechte die fünfzig Eier, um das Bett eine Woche lang zu reservieren - rückwirkend bis Montag, unterstrich er bitter -, und fuhr mit dem Bus auf der Damen Avenue nach Hause.
»Dann hab ich bei Diamond Head angerufen und wollte mit dem Vertrauensmann dort sprechen, weil Mitch letzte Woche so viel Wind gemacht hat. Aber der Kerl hat nicht zurückgerufen, deshalb bin ich gestern noch mal den verflucht langen Weg mit dem Bus dorthin gefahren, und sie sagen mir, Mitch hat sich nicht mehr in der Nähe der Fabrik blicken lassen, seit wir vor zwölf Jahren in Rente gegangen sind. Deshalb möchte ich gern, dass Sie das übernehmen. Nach ihm suchen, meine ich.«
Als ich nicht gleich antwortete, sagte er: »Ich bezahle Sie, machen Sie sich deshalb keine Sorgen.«
»Darum geht es nicht.« Ich wollte schon hinzufügen, er brauche mir gar nichts zu bezahlen, aber das ist die beste Methode, Ärger zwischen Freunden und Verwandten zu schaffen - ihnen kostenlos einen professionellen Gefallen zu tun. »Aber ... schön, ich will schonungslos offen sein, Sie wissen doch, dass er vermutlich in irgendeiner Polizeizelle einen Kater ausschläft.«
»Und falls ja, können Sie das doch rauskriegen. Ich meine, Sie kennen doch alle Cops, Ihnen sagen die, ob sie ihn irgendwo besoffen aufgelesen haben. Ich fühl mich irgendwie verantwortlich für ihn.« »Hat er Angehörige?«
Mr. Contreras schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Seine Frau ist ihm weggelaufen -oh, das ist ewig her. Muss vor vierzig Jahren gewesen sein. Sie hatten ein Kind, und sogar danach hat er seinen Lohn vertrunken. Kann nicht behaupten, dass ich ihr das verüble. Ich hab mir Clara von ihm zurückgeholt, als wir alle noch auf die Highschool gingen. Auf dem Ball bei der Jahresfeier. Sie hat sich immer furchtbar aufgeregt, wenn ich mit einem zu viel in der Krone nach Hause gekommen bin, und dann hab ich sie immer daran erinnert, dass ich sie wenigstens nicht diesem Superesel Kruger überlassen habe.« Seine weichen, braunen Augen beschlugen sich, während er an einen Ball vor sechzig Jahren dachte. »Schön, die Vergangenheit ist tot und vergessen, und ich weiß, Mitch taugt nicht viel, aber ich möchte ganz gern wissen, dass er okay ist.« Wenn er mir so kam, hatte ich keine andere Wahl. Ich fuhr ihn in mein Büro und füllte feierlich einen meiner Standardverträge für ihn aus. Ich schrieb Mrs. Polters Adresse auf. Ich ließ mir auch beschreiben, wo Diamond Head war - ich hatte das Gefühl, ich würde jede Sackgasse brauchen, die ich auftreiben konnte, um meinen Vorschuss zu rechtfertigen.
Mr. Contreras zog eine Rolle Geldscheine aus der Jackentasche. Er leckte sich die Finger, löste vier Zwanziger und zählte sie ab. Das reichte für einen Tag, an dem ich die Kneipen in der Archer Avenue und der Cermak Road abklapperte.
8
Lösch deine Sorgen
Ich warf meinen Bericht für Daraugh Graham auf dem Weg zum Stevenson ein, dem Expressway, der durch das größte Industriegebiet im Südwesten von Chicago führt. Er verläuft parallel zum Sanitary and Ship Canal, der 1900 gebaut wurde, um den Illinois River und den Chicago River miteinander zu verbinden. Die Ufer der sechzig Kilometer langen Wasserstraße, über die sich im Zickzack Bahnüberführungen ziehen, beherbergen jede Art von Industrie und Gewerbe. Über Schrotthaufen erheben sich Getreide- und Zementkräne; Ladeplätze für Lastwagen ziehen sich an den Werften entlang, in denen die Schiffer von Chicago ihre Boote einwintern.
Ich bog an der Damen Avenue ab, glitt an der kleinen Ansammlung von Bungalows vorbei, die seltsamerweise direkt neben der Abfahrtsrampe steht, und bog scharf nach links in die Archer Avenue ein. Sie folgt wie der
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