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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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die Briefe.
    Und über die Versäumnisse der Polizei.
    Ganz richtig waren vier Seiten – zwei ganze Doppelseiten – angesetzt für das, was als ›Das Mordrätsel des Jahrzehnts‹ bezeichnet wurde und den ›Briefmörder von Kymlinge‹ betraf, und ganz oben auf jeder Seite stand sicherheitshalber das Wort ›EXTRA‹ in Schwarz auf Weiß gedruckt, damit auch kein Leser die Gewichtigkeit der Geschichte unterschätzen konnte.
    Es gab reichlich Fotos: ein kleineres vom Leiter der Ermittlungen Jonnerblad, ein doppelt so großes von Inspektor Barbarotti – das nicht wenig an einen Patienten erinnerte, der darauf wartete, vom Arzt aufgerufen zu werden, um seine Verstopfung diagnostiziert zu bekom men, ein Luftbild von Kymlinge, auf dem beide Fundorte mittels eines weißen Kreuzes pädagogisch wertvoll markiert waren, sowie ein paar gefälschte Bilder der Briefe – alle drei. Die Worte des Mörders waren in extenso wiedergegeben, aber die Bildunterschriften wiesen der Ehrlichkeit halber darauf hin, dass die Fotos keine Originale zeigten, da die Polizei sich aus ermittlungstechnischen Gründen weigerte, diese herauszugeben. Der Expressen war, wie immer, ein Organ im Dienste der Wahrheit und der Aufklärung. Außerdem gab es noch, oben auf Seite acht, das Bild von zwei Frauen mittleren Alters mit Einkaufstüten, sie hatten nichts mit dem Mord zu tun; ganz im Gegenteil, wie in dem anhängenden kurzen Text behauptet wurde, repräsentierten sie den normalen, ehrbaren Menschen, und auf die direkte Frage des Reporters, inwieweit sie Angst hatten, beteuerten alle beide, dass sie das wirklich hatten. Man traute sich doch kaum noch vor die Tür. Auf die Folgefrage, ob sie Vertrauen in das Polizeiwesen hätten, antworteten sie, dass es ja wohl an der Zeit sei, dass die Ordnungsmächte mal ein bisschen zeigten, was sie konnten.
    In dem längsten Textabschnitt wurde der Mörder als außerordentlich gewitzter Psychopath beschrieben, und sowohl Jonnerblad als auch Staatsanwalt Sylvenius wie auch Barbarotti kamen zu Wort. Barbarotti erkannte kein einziges Wort wieder in dem Zitat, das ihm zugeschrieben wurde, und er konnte nur schwer glauben, dass Jonnerblad tatsächlich – auf seine Ehre als Polizeibeamter – versprochen hätte, dass der Täter in den nächsten Tagen gefasst sein sollte, allerspätestens in einer Woche.
    Doch das Schlimmste – das Allerschlimmste – war die Überschrift über seinem eigenen Gesicht in diesem vollgestopften Wartezimmer.
    Verstrickt?
    Verstrickt?, dachte Gunnar Barbarotti. Was zum Teufel meint er damit, dass ich darin verstrickt sein könnte? Wenn ich einen Brief an die Mutter des Papstes schreibe, dann bedeutet das doch wohl nicht, dass sie in irgendetwas verstrickt ist?
    Er trank seinen Kaffee aus und warf die Zeitung mit einer wütenden Rückhand von sich. Eine Sekunde später rief Asunander an. Er klang wie ein verkaterter Steinfresser.
    »Ich bin auf dem Weg«, erklärte Inspektor Barbarotti. »Bin in zwanzig Minuten da.«
    »Krrnss«, sagte der Kommissar, und während der restlichen Fahrt nach Kymlinge überlegte Gunnar Barbarotti, was er da eigentlich versucht hatte, von sich zu geben.
    »Wer«, sagte Kommissar Asunander, »… in Dreiteufelsnamen … wer ist derjenige … der diese Informationen einem verfluchten … Zeilenschinder verkauft hat?«
    Das war ein sensationell langer und zusammenhängender Satz, dafür, dass er von Asunander kam, und ihm folgte ein beredetes Schweigen am Tisch. Barbarotti war klar, dass der gleiche Gedanke jeden einzelnen Schädel des versammelten Dutzends durchfuhr. Auch die der vier hauptsächlich beteiligten Polizeianwärter, die zur Besprechung dazugeholt worden waren. Einer von uns? Kann es einer von uns gewesen sein?
    Aber vielleicht durchzog dieser Gedanke auch nur elf Köpfe?, überlegte er weiter. Denn wenn es wirklich einer der zwölf gewesen war, der die Chance genutzt hatte, ein paar Groschen hinzuzuverdienen, indem er der Presse etwas zusteckte, ja, dann musste natürlich in dem betreffenden Schädel während dieser eiskalten, bedrohlichen Sekunden eine andere Frage auftauchen. Ist es mir anzusehen?, beispielsweise – oder vielleicht: Haha, ihr habt nicht die geringste Chance, mich zu entlarven, ihr versteinerten Moorwichser!
    Obwohl Letztgenanntes nur in Barbarottis eigenem armen Kopf auftauchen konnte. Ich bin auch heute nicht wirklich auf der Höhe, dachte er kurz, während Jonnerblad gleichzeitig das Schweigen punktierte:
    »Abgesehen von uns

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