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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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zusammentrifft!« sagte der Kondukteur vor sich hin. »Mir geht es gerade ebenso.«
    Sobald Jerry sich in Nacht und Nebel allein sah, stieg er ab, nicht nur, um es seinem Pferd leichter zu machen, sondern auch, um sich den Schmutz aus dem Gesicht zu wischen und aus seiner Hutkrempe das Wasser zu schütteln, das sich dort gesammelt hatte. So stand er da, die Zügel seines Tiers um den schwer besudelten Ärmel geschlungen, bis er von dem weiterrollenden Postwagen nichts mehr hörte und die Nacht wieder mäuschenstill geworden war. Dann wandte er sich, um zu Fuß bergab zu gehen.
    »Nach dem Galopp von Temple Bar her mag ich mich deinen vier Beinen nicht mehr anvertrauen, alte Mähre, bis ich dich wieder in der Ebene habe«, sagte der heisere Bote, sein Tier betrachtend. »›Ins Leben zurückgerufen.‹ Das ist eine ver
teufelt kuriose Botschaft, und du könntest dich nicht auf viele dergleichen einlassen, Jerry. Laß dir sagen, Jerry, du kämst auf einen verdammt schlechten Weg, wenn ins Leben zurückrufen Mode würde.«
    Drittes Kapitel
    Nächtliche Schatten
    Es ist eine wunderbare, des Nachdenkens werte Tatsache, daß jedes menschliche Wesen in seiner Eigenart für andere zu einem tiefen Geheimnis wird. Wenn ich nachts in einer großen Stadt anlange, so erfüllt es mich mit feierlichen Gedanken, daß jedes von jenen dunkel aufeinandergehäuften Häusern sein eigenes Geheimnis einschließt und jedes klopfende Herz in den Hunderttausenden von menschlichen Wesen irgendeine heimliche, ihm besonders teure Vorstellung birgt. Selbst das Grausen, das uns den Tod einflößt, hat hierin seinen Grund. Ich kann nicht mehr in dem mir teuer gewordenen Buche blättern und darf nicht hoffen, es mit der Zeit zu Ende zu lesen. Ich soll nicht mehr schauen in die Tiefen des unergründlichen Wassers, in dem ich, je nachdem es durch augenblickliche Lichter erhellt wurde, manchen weit unter der Oberfläche befindlichen Schatz erschaute. Das Schicksal wollte es, daß das Buch sich schloß und für immer mit einer unlösbaren Klammer versehen ward, nachdem ich kaum eine Seite gelesen hatte. Es war bestimmt, daß das Wasser den starren Banden ewigen Eises verfiel, als das Licht noch auf seiner Oberfläche spielte und ich in ahnungsloser Unwissenheit am Ufer stand. Mein Freund ist tot; mein Nachbar ist tot; meine Liebe, der Schatz meiner Seele, ist tot. Wir haben da die unerbittliche Fortdauer
eines Geheimnisses, das stets in jeder Persönlichkeit war und das ich bis zum Ende meines Daseins in der meinigen trage. Und gibt es wohl auf irgendeinem Friedhof dieser Stadt, den ich durchwandle, einen Schläfer, der unerforschlicher wäre, als es mir im Kern ihres Wesens ihre rührigen Bewohner sind oder ich es ihnen bin?
    Was dieses natürliche, unveräußerliche Erbe betrifft, so besaß es der Bote auf seinem Roß ebensogut wie der König, der erste Staatsminister oder der reichste Kaufmann von London. Nicht anders ging es den drei im engen Raum einer holpernden Postkutsche eingeschlossenen Passagieren, die sich wechselseitig so vollkommene Geheimnisse waren, als führen sie stundenweit voneinander jeder in einer eigenen sechsspännigen Equipage.
    Der Bote ritt in leichtem Trab wieder zurück und hielt dabei fleißig vor den Wirtshäusern, um sich einen Trunk zu holen, zeigte sich aber dabei nicht geneigt, viele Worte zu machen, und hatte den Hut über die Augen gezogen. Freilich hatte er Augen, denen ein solcher Schmuck recht gut anstand, denn sie waren dunkel auf der Oberfläche, ohne Tiefe in Form oder Farbe und viel zu nah beieinander, als fürchte jedes, über etwas ertappt zu werden, wenn sie nicht treu zusammenhielten. Sie hatten einen finstern Ausdruck, und der alte Hut saß über ihnen wie ein dreieckiger Spucknapf, während unter ihnen die Flügel der dicken, Kinn und Hals umhüllenden Halsbinde fast bis zu den Knien niederfielen. Wenn er zu einem Trunk haltmachte, drückte er, solange er mit der Rechten sich den Branntwein in die Kehle goß, mit der Linken seine Binde nieder, zog sie aber, sobald er sich angefeuchtet hatte, augenblicklich wieder in die Höhe.
    ›Nein, Jerry, nein‹, fuhr der Bote auf seinem Ritt in dem alten Thema fort, ›das wäre nichts für dich, Jerry. Du bist ein
ehrlicher Geschäftsmann, Jerry, und dies paßt nicht in deinen Kram. Zurückgerufen –! Ei der Kuckuck, man sollte meinen, er sei ein Trinker gewesen.‹
    Der Auftrag verwirrte ihm den Sinn dermaßen, daß er mehrmals den Hut abnehmen mußte, um sich

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