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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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los, so werden sie wohl schnell machen.«
    »Sie machen schnell; seid unbesorgt.«
    Die beiden stehen in dem schnell sich lichtenden Gedränge der Opfer, sprechen aber miteinander, als ob sie allein wären, Auge in Auge, Stimme gegen Stimme, Hand in Hand und Herz gegen Herz; die beiden Kinder der gemeinsamen Mutter, sonst so weit voneinander getrennt, haben sich zusammengefunden auf der dunklen Heerstraße, um miteinander einzugehen in die Heimat und in ihrem Schoße auszuruhen.
    »Wackerer, edler Freund, wollt Ihr mir noch eine letzte Frage erlauben? Ich bin gar so unwissend, und ein Umstand beunruhigt mich – noch ein wenig.«
    »Sprecht.«
    »Ich habe eine Base, eine einzige Verwandte, eine Waise wie ich, und ich liebe sie zärtlich. Sie ist fünf Jahre jünger als ich und lebt auf einem Bauernhof im Süden. Die Armut hat uns getrennt, und sie weiß nichts von meinem Schicksal, denn ich kann nicht schreiben, und wenn ich's auch könnte, wie sollte ich's ihr beibringen? Es ist besser so, wie es ist.«
    »Ja, ja, es ist besser so.«
    »Ich habe mir beim Herfahren Gedanken gemacht, und ich beschäftige mich noch damit, während ich Kraft hole aus der
Seelenstärke, die aus Eurem freundlichen Antlitz spricht – ob sie wohl noch lange leben und vielleicht alt werden wird, wenn die Republik wirklich den Armen zugute kommt und dafür sorgt, daß sie weniger hungern und überhaupt weniger leiden müssen?«
    »Wie kommt Ihr darauf, meine sanfte Schwester?«
    »Glaubt Ihr« – die nicht klagenden Augen, die soviel Standhaftigkeit ausdrücken, füllen sich mit Tränen, und die Lippen öffnen sich bebend etwas weiter –, »die Zeit werde mir dann lang vorkommen, wenn ich auf sie warte in dem besseren Land, wo wir beide gnädig aufgenommen zu werden hoffen?«
    »Unmöglich, mein Kind; dort gibt es keine Zeit und keine Sorge mehr.«
    »Ihr tröstet mich sehr. Ich bin so unwissend. Darf ich Euch jetzt küssen? Ist der Augenblick gekommen?«
    »Ja.«
    Sie küßt seine Lippen und er die ihrigen. Sie segnen einander feierlich. Die freie Hand zittert nicht, nachdem er sie losgelassen hat, und in den holden, strahlenden Mut des geduldigen Gesichtes mischt sich kein unedler Zug. Sie geht unmittelbar vor ihm her – – es ist vorbei. Die strickenden Weiber zählen zweiundzwanzig.
    ›Ich bin die Auferstehung und das Leben, sagt der Herr. Wer an mich glaubt, wird leben, ob er gleich stürbe. Und wer da lebt und an mich glaubt, der wird nimmermehr sterben.‹
    Gemurmel vieler Stimmen. Viele Köpfe richten sich in die Höhe; von dem äußeren Rande der Volksmasse drängen die Füße näher heran, so daß es anschwillt wie eine ungeheure, alles mit sich fortreißende Woge. Dreiundzwanzig.

    Man sagte an jenem Abend in der Stadt von ihm, nie habe man dort ein friedvolleres Menschenantlitz gesehen. Ja, viele
wollten sogar eine prophetische Erhabenheit darin erkannt haben.
    Eines der denkwürdigsten Opfer der Revolution – eine Frau – hatte nicht lange vorher am Fuße des Schafotts um die Erlaubnis gebeten, die Gedanken niederzuschreiben, die sie erfüllten. Hätte er den seinigen – sie waren prophetisch – Ausdruck verleihen wollen, so würden sie folgendermaßen gelautet haben:
    ›Ich sehe Barsad und Cly, Defarge, die Rache, den Geschworenen, den Richter und die vielen Folgenden, die aus dem Untergang der Vorangegangenen hervorsprossen, unter diesem blutgierigen Instrument fallen, ehe es seinem gegenwärtigen Gebrauch entzogen wird. Ich sehe eine schöne Stadt und ein prächtiges Volk aus diesem Abgrund sich erheben; und in seinen Kämpfen um wahre Freiheit, in seinen Triumphen und Niederlagen durch eine lange Reihe von Jahren hindurch sehe ich die Grausamkeit dieser Zeit und der vergangenen, aus der sie naturgemäß hervorwuchs, allmählich sich sühnen und untergehen.
    Ich sehe die Menschen, für die ich mein Leben opferte, im Frieden und Wohlstand, nützlich und glücklich, daheim in jenem England, das mein Auge nicht mehr schauen wird. Ich sehe sie mit einem Kind auf ihrem Schoße, das meinen Namen trägt. Ich sehe ihren Vater, alt und gebeugt, aber vollkommen genesen, wie er schlicht und getreu die Pflichten seines Berufes gegen jedermann übt. Ich sehe, wie zehn Jahre später der wohlwollende alte Mann, der so lange ihr Freund war, ruhig in die Ewigkeit eingeht zu seinem Lohn, nachdem er ihnen sein irdisches Gut hinterlassen hat.
    Ich sehe, daß ich mir ein Heiligtum erbaut habe in ihren Herzen und in den Herzen ihrer

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