Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten
in dem Glauben erworben hatte, es handele sich um ein indianisches Instrument. Bei dieser Auffassung blieb es, bis ein Konservator des Museums 1906 die Vermutung äußerte, dass dies eigentlich nicht sein könne: Es sehe eher aus wie eine westafrikanische Trommel. Jahre später bestätigten wissenschaft liche Untersuchungen seiner Kollegen im Museum und in den Kew Gardens seine Vermutung. Heute wissen wir, dass der Korpus der Trommel aus dem Holz der
Cordia africana
gefertigt ist, eines Laubbaums, der in Westafrika häufig vorkommt, und auch die Materialien der anderen Teile – Knöpfe und Schnüre – stammen von Bäumen und Pflanzen dieser Gegend. Es handelt sich also eindeutig um eine afrikanische Trommel, die vor 1730 von Westafrika nach Virginia gelangt war.
Die ersten Sklaven erreichten Britisch-Nordamerika im Jahr 1619 – auf europäischen Schiffen als Arbeitskräfte für die immer größer werdenden Plantagen in die amerikanischen Kolonien verschleppt. Anfangs wurden sie auf den Zucker- und Reisfeldern eingesetzt, später im Tabakanbau und schließlich und endlich, wie jeder weiß, auf den Baumwollplantagen. Anfang des 18. Jahrhunderts war der Handel mit versklavten Menschen zum einträglichsten Geschäft zwischen den europäischen Seemächten und westafrikanischen Herrschern avanciert. Insgesamt wurden etwa zwölf Millionen Menschen von Afrika nach Amerika verschleppt, ein Geschäft, das für beide Seiten, die Europäer ebenso wie ihre afrikanischen Handelspartner, äußerst lukrativ war. In Kwame Anthony Appiah vermischt sich das Erbe beider Seiten.
«Ich erzähle den Leuten immer gern, dass es auf beiden Seiten meiner Familie Sklavenhändler gab: Sowohl unter meinen britischen als auch unter meinen ghanaischen Vorfahren gab es Personen, die in den Sklavenhandel verstrickt waren. Man muss das so sehen, dass es eine Handelsbeziehung war – der Handel nahm zu, und im 18. Jahrhundert waren die Leute aus der Aschanti-Region, in der ich aufgewachsen bin und aus der diese Trommel stammt, abhängig vom Sklavenhandel. Sie gingen auf Kriegszüge, fingen Menschen in großer Zahl ein und brachten sie zur Küste, wo sie ihre Beute gegen europäische Güter tauschten, die sie in die Lage versetzten, weitere Kriegszüge zu organisieren.»
Unsere Trommel stammt aus dem Gebiet der Akan-Völker, zu dem die Königreiche der Aschanti und der Fanti gehörten, und sie wurde vermutlich bei Hofe in einem Trommelorchester verwendet – Musik und Tanz spielten im höfischen und gesellschaftlichen Leben eine tragende Rolle.
Wir gehen davon aus, dass die Trommel mit einem Sklavenschiff nach Amerika gelangte – allerdings nicht als Besitz eines Sklaven. Sklaven hatten keinen Besitz. Vielleicht war sie ein Geschenk an den Kapitän oder sie wurde von einem Häuptlingssohn mitgenommen, der, wie es manchmal vorkam, im Rahmen seiner Ausbildung und Erziehung auf einem Sklavenschiff mitsegelte. Der Einsatz der Trommel an Bord hatte wenig mit der Freude am gemeinsamen Musizieren zu tun. Vielmehr dienten sie dazu, «die Sklaven tanzen zu lassen», wie die bru tale Praxis zynisch umschrieben wurde:
«Sobald die Fracht [die Sklaven] verladen ist, legt das Schiff ab; die armen Teufel werden, noch in Sichtweite ihrer Heimat, krank und sterben … Man kann sie nur am Leben erhalten, indem man ihnen ein Musikinstrument vorspielt, sei es noch so primitiv.»
Die Sklaven wurden an Deck gebracht und gezwungen, zum Rhythmus der Trommel zu tanzen. Das hielt sie fit und verhinderte, dass sie in Schwermut verfielen, was, wie der Kapitän wohl wusste, die Gefahr von Selbstmorden oder Revolten unter den Gefangenen mit sich bringen konnte. Auf den amerikanischen Plantagen angekommen, durften die Sklaven aus eigenem Antrieb tanzen und trommeln, aber schon bald regte sich in den Sklavenbesitzern die Angst, das Trommeln könne, nach alter Sitte als Mittel der Kommunikation zwischen den Gemeinden verwendet, eher dazu dienen, Unruhe zu schüren, als sie zu verhindern.Und tatsächlich wurden beim Ausbruch eines gewaltsamen Sklavenaufstands in South Carolina im Jahr 1739 die Kampfwilligen buchstäblich «zusammengetrommelt». Das führte dazu, dass Trommeln in der Kolonie als Waffen eingestuft wurden, deren Besitz gesetzlich verboten war.
Hans Sloane, selbst Sklavenbesitzer auf Jamaika, auf dessen Betreiben hin die Trommel nach London gelangt war, hat eine der ersten Notenschriften von Sklavenmusik veröffentlicht. Darüber hinaus lieferte er eine
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