Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten
Fülle von Geschenken empfangen, zu denen auch etliche Häuptlingshelme gehörten – seltene und kostbare, aus gelben und roten Federn gefertigte Objekte. Cook hielt dies für ein Zeichen der Anerkennung, die ein Regent dem anderen zollt, und fühlte sich geehrt. Doch wenige Wochen später war Cook tot, ermordet von den gleichen Menschen, die ihm die Helme geschenkt hatten. Irgendetwas war eindeutig schiefgelaufen.
Unser Objekt gehört zu den Helmen, die Cook und seiner Mannschaft als Geschenk überreicht wurden, und es dient uns heute als anschauliches Symbol für die folgenschweren Missverständnisse, zu denen es bei der Begegnung der Europäer mit anderen Völkern dieser Welt immer wieder kam. Am Anfang dieser Geschichte der Welt habe ich gesagt, dass in Objekten häufiger das zum Ausdruck kommt, was uns als Menschen gemeinsam ist, als das, was uns voneinanderunterscheidet, aber wenn ich mir einige unserer Objekte ansehe, bin ich mir da gar nicht so sicher. Werden wir jemals in der Lage sein zu begreifen, wie sich eine Gesellschaft, die vollkommen anders ist als die unsere, die Welt vorstellt und wie sie sich selbst formiert? Und können wir Worte finden für Vorstellungen und Ideen, die uns vollkommen fremd sind?
Im 18. Jahrhundert machten sich europäische Entdecker, allen voran James Cook, daran, die Weltmeere zu kartographieren. Ihr besonderes Interesse galt dabei dem riesigen und weitgehend unerforschten Pazifischen Ozean. Bevor das Britische Museum in den Besitz der großen Ägypten-Sammlungen kam (siehe Kapitel 1), waren es vor allem die Dinge, die Cook von seinen Reisen in die Südsee mitgebracht hatte, für die sich die Besucher interessierten – Ausblicke auf eine neue und andere Welt. Der hawaiianische Federhelm, der so zart und fein ist, dass man den Eindruck hat, die roten und gelben Federn, mit denen er überzogen ist, könnten bei der geringsten Bewegung abfallen, gehörte zu den größten Attraktionen der Sammlung. Er liegt, ähnlich den Helmen in der griechischen Antike, eng am Kopf an, hat aber einen dicken, hohen Kamm, der wie eine Irokesenfrisur von der Stirn bis in den Nacken verläuft. Die Scheitellinie des Kamms ist in Längsrichtung rot und gelb gestreift, seine Seitenflächen sowie der Helmkorpus sind scharlachrot, und der vordere Rand weist eine schmale Borte aus abwechselnd gelben und schwarzen Federn auf. Die Farben des Helms sind so lebhaft und leuchtend, dass sein Träger unweigerlich aus der Menge hervorstechen musste. Die roten Federn stammen vom Iiwi aus der Familie der Kleidervögel, die gelben von einer Honigfresserart, deren vorwiegend schwarzes Gefieder nur von einigen wenigen gelben Federn durchsetzt ist. Diese kleinen Vögel wurden gefangen, gerupft und anschließend freigelassen oder getötet. Die Federn wurden dann vorsichtig auf einem Fasergeflecht befestigt, das über einen Rohrrahmen gespannt war. Federn waren das kostbarste Material, das den Menschen auf Hawaii zur Verfügung stand; sie waren hier so wertvoll wie Türkis in Mexiko, Jade in China oder Gold in Europa.
Dieser Helm ist in jeder Hinsicht eines Königs würdig und gehörte vermutlich dem obersten Herrscher über die Insel Hawaii, mit Abstand die größte im hawaiianischen Archipel, das etwa 3600 Kilometer vom nordamerikanischen Festland entfernt liegt. Die Inselkette wurde um 800 n. Chr. von Polynesiern besiedelt, diemit ihren hochseetüchtigen Booten Tausende von Seemeilen zurücklegten und sich in dieser Phase der Expansion auch auf der Osterinsel und in Neuseeland niederließen. Nachdem die Insulaner von 1200 bis 1700 offenbar vollkommen isoliert gelebt hatten, war Cook nach 500 Jahren der erste Fremde, den die Hawaiianer zu Gesicht bekamen. Aber er wurde von ihnen sicher mehr bestaunt als sie von ihm. In der langen Zeit der Isolation hatten die Menschen in Hawaii gesellschaftliche Strukturen, Sitten und Bräuche sowie landwirtschaftliche und handwerkliche Fertigkeiten entwickelt, die einem Europäer auf den ersten Blick zwar fremdartig vorgekommen sein mögen, die er aber doch begreifen und nachvollziehen konnte. Der Anthropologe Nicholas Thomas, der sich eingehend mit der polynesischen Kultur befasst hat, erklärt:
«Als Cook nach Polynesien kam, traf er auf Gesellschaften, die in den Augen der Europäer auf ihre eigene Weise hoch entwickelt waren … In Hawaii hatten sich Königtümer herausgebildet, die ganze Inseln umfassten und untereinander komplexe Handelsbeziehungen pflegten. Die
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