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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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Lichte nicht zu gewahren.»
    Die teuer und mit blutigen Opfern erkaufte Erkenntnis, dass mehrere Wege zur Wahrheit führen, veränderte das intellektuelle und politische Leben in Europa so gründlich, dass der Kontinent im Jahr 1717, als sich der Anschlag der Thesen an der Kirchentür zum zweihundertsten Mal jährte und neue Flugblätter hergestellt wurden, auf eine Zeit der revolutionären Umwälzungen zusteuerte, die ebenso tief gingen wie die Veränderungen der Reformation, deren Folge sie in vieler Hinsicht waren – die Aufklärung.

XVIII
Entdeckung, Ausbeutung
und Aufklärung
1680–1820 n. Chr.
    Die europäische Aufklärung
(1680–1820) war eine Blütezeit der Naturwissenschaften
und der Philosophie. Zwar wird sie – zu
Recht – vor allem mit Vernunft, Freiheit und Fortschritt in Verbindung
gebracht, aber gleichzeitig erlebten der transatlantische Sklavenhandel
und die koloniale Expansion Europas ihren Höhepunkt. Entscheidende
Fortschritte auf dem Gebiet der Navigationstechnik versetzten europäische
Seeleute in die Lage, den Pazifik gründlicher zu erforschen, und es kam
zum ersten Kontakt der indigenen Kulturen Hawaiis und Australiens mit dem Rest
der Welt. Aus dem Dialog und dem Austausch, den oft schwierigen, von Missverständnissen
begleiteten Transaktionen und den offenen Konflikten, die das Aufeinandertreffen
von Europäern und Nichteuropäern in aller Welt mit sich brachte,
entwickelte sich nur allzu oft eine beschämende Geschichte der Unterdrückung
von Völkern und der Zerschlagung von Gesellschaften. Europa war aber
nicht die einzige wachsende Wirtschaftsmacht: Das chinesische
Reich der Qing-Dynastie, das vielen Europäern als leuchtendes
Beispiel erfolgreicher Staatsführung galt, erlebte
seine eigene Variante der Aufklärung.



86
Akan-Trommel
    Trommel, in Westafrika hergestellt und in Virginia, USA, gefunden
1700–1750 n. Chr.
    Der wahre Geist der Jazzmusik ist ein fröhliches Aufbegehren gegen Konventionen, Gewohnheiten, Institutionen, Langeweile und sogar gegen die Traurigkeit – gegen alles, was die Seele des Menschen gefangen hält und verhindert, dass sie fliegen lernt.
    Das sind die 1920 geschriebenen Worte des schwarzen US-Historikers J. A. Rogers über das Wesen des Jazz – einer Musik der Freiheit und der Rebellion, deren Wurzeln zurückreichen bis ins 18. Jahrhundert, in die Tage des Sklavenhandels, als afrikanische Trommeln dieser Art nach Amerika gelangten und die Musik den Entrechteten und Heimatlosen eine Stimme verlieh, sie in der Fremde zusammenschweißte und eine Sprache schuf, die schließlich die Kontinente überbrücken sollte. Trommeln wie diese stehen an der Spitze der afroamerikanischen Musiktradition, die das 20. Jahrhundert mit geprägt hat. Blues und Jazz sind nur zwei der großen Musikgenres, die hier ihren Anfang nahmen: Musik voller Trauer und Sehnsucht, voller Überschwang und Rebellion – Musik der Freiheit.
    Die Trommel ist das früheste afroamerikanische Objekt aus der Sammlung des Britischen Museums. Das Instrument – in Afrika angefertigt, nach Amerika gebracht und von dort aus nach England geschickt – hilft uns, die Geschichte einer der größten erzwungenen Migrationsbewegungen aller Zeiten zumindest teilweise zu rekonstruieren. Die ihrer elementarsten Rechte beraubten Sklaven durften nichts mitnehmen – aber sie trugen die Musik in ihren Köpfen, und auf den Schiffen reisten immer ein oder zwei Trommeln mit. Und mit ihnen beginnt die Geschichte der afroamerikanischen Musik. Kwame Anthony Appiah, der in Princeton Philosophie lehrt, erklärt:
    «Die Trommeln spielten im Leben der Menschen eine wichtige Rolle, und wenn man eine davon in die Neue Welt mitnehmen konnte, war das wie eine mitgebrachte Quelle der Erinnerungen, und das gehört zu den Dingen, an denen sich Menschen, die in die Sklaverei verschleppt wurden, festhielten.»
    Als das Britische Museum 1753 zum ersten Mal seine Tore öffnete, war das Interesse Europas an der Welt – das Bestreben der Aufklärung, sich alles Wissen dieser Welt anzueignen – nahezu grenzenlos. Der Erstbestand des Museums stammte zum größten Teil aus dem Nachlass von Sir Hans Sloane, einem irischen Mediziner mit außergewöhnlich breit gefächerten Interessen, und setzte sich aus wissenschaftlichen Instrumenten, Fossilien und Steinen, ausgestopften Tieren und einem Sammelsurium faszinierender Antiquitäten aus aller Welt zusammen. Zu seiner Sammlung gehörte auch unsere Trommel, die er um 1730 in Virginia

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