Eine glückliche Ehe
Major.«
Draußen rumsten die Granatwerfer der Russen. Die deutschen Landser verkrochen sich, beneideten die Iwans um die Verschwendung von Munition und fühlten sich wohl. Ein warmer, ruhiger Tag, vielleicht der letzte. Wenn morgen oder übermorgen die sowjetische Offensive losrollte, gab es keinen blauen Himmel mehr. Dann war die Welt rot, die Erde brach auf, und viele, die jetzt in der Sonne lagen und pennten, schliefen dann für ewig.
Major Blauer trat hinter den Tisch, betrachtete das Bild von Irmi Lohmann, nickte Wegener lobend zu und hob die Hand. Er musterte die Uhr auf dem Handgelenk … genau zur vollen Stunde wollte er mit seiner Rede beginnen, wie in Köln-Lindenthal der Parteigenosse und Standesbeamte Schmitz VII.
»Na also –«, sagte er, als der Zeiger auf die volle Stunde zuckte. »Fähnrich Hellmuth Wegener. Sie haben sich entschlossen, in Deutschlands schwerster Zeit und Aug in Auge mit dem Feind, tapfer, wie ein deutscher Mann ist, den Bund der Ehe mit einem ebenso tapferen deutschen Mädel einzugehen.«
Hauptmann Hillemann hustete. Major Blauer schielte zu ihm hin, verstand Hillemanns Grinsen und beugte sich etwas über den Tisch vor.
»Machen wir es kurz, Wegener. Über Liebe soll man nicht diskutieren, über den Optimismus der Jugend schon gar nicht. Es ist herrlich, daß es so etwas gibt und immer geben wird. Das ist für mich der Begriff des ewigen Lebens, nicht das, was uns gleich der Pfarrer erzählt. Fähnrich Hellmuth Adalbert Wegener, ich frage Sie, sind Sie gewillt, die Irmgard Helena Erna Lohmann zu heiraten, dann antworten Sie mit Ja.«
»Ja!« sagte Hellmuth Wegener laut.
Dann zogen sie die Köpfe ein, Staub rieselte von der verschalten Decke, irgendwo knackte es. Eine Granate hatte den Bunker getroffen, aber sie war zu schwach, um durchzuschlagen.
»Dann erkläre ich Sie hiermit für Mann und Frau«, sagte Major Blauer und hustete heftig. »So eine Scheiße! Hillemann, ich gebe Ihnen zehn Schuß Granatwerfer frei. Säubern Sie den verfluchten Hügel vor uns!«
In Köln hatte Schmitz VII zur gleichen Minute über Führer und Vaterland geredet und über die Verpflichtung junger deutscher Menschen, dem Volke viele Söhne zu schenken. Er sprach von Heldentum und Opfergeist, zitierte sogar Rommel und wuchs in dieser Stunde über sich hinaus. Johann Lohmann starrte ihn entgeistert an. Er kannte Schmitz VII nur als Magenleidenden, der dreimal wöchentlich in seine Apotheke kam und ohne Rezept ›Aufbaumittel‹ holte.
»Und so frage ich Sie, Irmgard Helena Erna Lohmann, wollen Sie den Fähnrich Hellmuth Adalbert Wegener heiraten, dann antworten Sie deutlich und klar mit einem Ja!« sagte er endlich.
»Ja!« antwortete Irmgard laut.
Johann Lohmann zuckte zusammen. Es war das schmerzhafteste Wort, das er bisher in seinem Leben gehört hatte. Ein einfaches Ja – aber er verlor mit ihm seine Tochter. Sie hieß in diesem Augenblick nicht mehr Lohmann, sondern Wegener. Ein neues Leben begann.
Schmitz VII wollte noch ein paar Worte sagen, bevor man gratulierte, aber das bis in die Knochen dringende Heulen der Luftschutzsirene unterbrach ihn. Sie war direkt über ihnen auf dem Dach, und es gab keinen anderen Laut mehr als dieses Geheul.
»Am hellen Tag!« schrie Schmitz VII und raffte seine Akten zusammen. »Alles in den Keller!«
Johann Lohmann blieb stehen. Er umarmte seine Tochter, gab ihr einen Kuß auf die kalten, zuckenden Lippen und nahm ihr den Rosenstrauß ab. Sie beugte sich über den Tisch, riß das Foto ihres Mannes an sich und steckte es in den Ausschnitt des Kleides, zwischen ihre Brüste. Von weitem dröhnte bereits die Flak und explodierten dumpf die ersten Bomben. Schmitz VII rannte aus dem Zimmer, Onkel Hannes, Tränen in den Augen, folgte ihm, nur Heribert Bluttke blieb an der Tür stehen.
»Die da oben wissen nicht, daß hier eine glückliche Braut ist«, sagte er, als die Sirene schwieg. »Kommt in den Keller.«
»Mir fällt etwas ein«, sagte Lohmann ruhig. »Schmitz VII hat vergessen zu sagen: Hiermit erkläre ich Sie kraft meines Amtes für Mann und Frau. Ist die Trauung nun gültig?!«
»Ich habe ja gesagt.« Irmgard Wegener, so hieß sie ja jetzt, schob ihren Arm unter den ihres Vaters. »Alles andere ist unwichtig. Hellmuth wird Weihnachten Urlaub bekommen.«
Er bekam keinen Urlaub.
Am 21. Juni traten die Russen bei Bobruisk, Mogilew, Orscha und Witebsk zu ihrer alles vernichtenden Offensive an. Mit einem Donnerschlag ohne Beispiel, mit Trommelfeuer
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