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Eine große Zeit

Eine große Zeit

Titel: Eine große Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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ein zweckentfremdetes Schlafzimmer an der Rückseite eines Reihenhauses in Highgate führt.
    Bensimon schien sich wirklich über meinen Besuch zu freuen – möglicherweise, weil ich ihm seine Glanzzeiten in Erinnerung rief – und begrüßte mich sehr herzlich, obwohl ich am späten Nachmittag unangemeldet an seine Tür geklopft hatte. Er stellte mir seine Frau Rachel vor – eine sehr schüchterne Frau – und seine Zwillingstöchter Agatha und Elizabeth, bevor er mich in sein Arbeitszimmer mit Blick auf die verrußten Rückseiten der anderen Reihenhäuser hinaufführte. Davor erstreckten sich lange, schmale Gärten mit den kleineren und größeren verfallenen Schuppen, die stets am Ende dieser vernachlässigten urbanen Parzellen stehen, mit ihren blasigen Dächern aus Teerpappe, kaputten Fenstern und kreosotbeschichteten Holzlatten, Wäscheleinen und überquellenden Regentonnen.
    Seinen Schreibtisch, die umgedrehte Couch und den Sessel aus der Wasagasse hatte er behalten, und auch das silberne afrikanische Flachrelief, wie ich erfreut feststellte.
    »Kein Vergleich«, sagte er, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Aber wir müssen versuchen, das Beste aus dem zu machen, was wir haben.«
    »Wie läuft das Geschäft?«, fragte ich.
    »Schleppend, könnte man sagen«, räumte er mit einem traurigen Lächeln ein. »In England haben die Menschen noch nicht begriffen, wie sehr sie uns brauchen. Es ist hier ganz anders als in Wien.« Er bot mir wahlweise die Couch oder den Sessel an. »Ist das ein Freundschaftsbesuch oder suchen Sie professionellen Rat?«
    Ich sagte ihm, dass ich an unsere Wiener Zeit anknüpfen wollte – vielleicht mit einer wöchentlichen Sitzung. Dann nahm ich im Sessel Platz und betrachtete die vertrauten Monster und Fabelwesen, genoss einen Augenblick lang die Illusion, es wäre noch das Jahr 1913 und ich hätte seither nichts erlebt. Dabei hatte ich mich in Wirklichkeit stark und unwiderruflich verändert – ich war ein anderer. Eine Einsicht, die mich verstörte.
    »Ist es wieder das alte Problem?«, fragte er. »Ich habe Ihre Patientenakte aufbewahrt.«
    »Nein, das scheint zum Glück nachhaltig gelöst zu sein«, sagte ich. »Mein neues Problem ist, dass ich nachts nicht schlafen kann. Oder besser gesagt, dass ich nachts nicht schlafen will, weil ich immer dasselbe träume.«
    Ich erzählte ihm von meinem Traum – das wiederkehrende, verworrene Erlebnis meiner Nacht im Niemandsland, das stets darin gipfelte, dass ich die Granaten in den Graben warf und diese beiden Gesichter im Schein meiner Taschenlampe auftauchten – der Mann mit dem schwarzen Schnurrbart und der hellblonde Junge, die zu mir aufsahen.
    »Und was passiert dann?«, fragte Bensimon.
    »Ich wache auf. Meist mit tränennassem Gesicht, obwohl ich mich nicht daran erinnern kann, im Traum geweint zu haben. Ich nehme Chloralhydrat. Das einzige Mittel, was mir erlaubt, nachts durchzuschlafen.«
    »Wie lange nehmen Sie das schon?«
    »Einige Monate, seit ich in der Schweiz war«, sagte ich unbedacht.
    »Ach, Sie waren in der Schweiz. Waren Sie länger dort?«
    »Nur ein paar Tage.«
    »Verstehe.« Taktvolles Schweigen. »Tja, Sie sollten das Chloral besser absetzen. Die Folgen einer langfristigen Einnahme können recht drastisch sein.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Sie könnten eine starke Abhängigkeit entwickeln. Es könnte sich destabilisierend auswirken. Das geht dann oft mit – wie soll ich sagen – , mit Realitätsverlust einher.«
    »Was heißt schon Realität … Manchmal möchte ich nichts anderes als einen solchen Realitätsverlust. Ich möchte nachts einfach schlafen.«
    »Das sagen sie alle. Und dann … «
    »Meinetwegen können wir es auch wieder mit Hypnose versuchen.«
    »Ich denke, in Ihrem Fall wäre der Parallelismus ideal. Aber zuerst müssen wir das Chloral absetzen.«
    Er stellte mir ein Rezept für ein anderes »Somnifer« aus und teilte mir mit, dass er in England zwei Guineen pro Stunde verlange. Wir vereinbarten einen Termin für die kommende Woche. Zu diesem Preis war das geradezu geschenkt, dachte ich, und mir fiel plötzlich ein Stein vom Herzen. Ich hatte das Gefühl, dass Dr. Bensimon mich von allem heilen konnte. Nun ja, von fast allem.
    Dieser Gedanke brachte mich dazu, ihm beim Abschied zu erzählen, dass ich Hettie Bull wiedergesehen hatte. Seine Miene verfinsterte sich.
    »Es geht mich zwar nichts an, aber ich an Ihrer Stelle würde mich von dieser jungen Frau fernhalten, Mr Rief. Sie ist

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