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Eine große Zeit

Eine große Zeit

Titel: Eine große Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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Wolfram ein wenig bedrückt. »Heute findet meine Gerichtsverhandlung statt.«
    Lysander betrachtete ihn von allen Seiten. Die Uniform war schwarz mit schwerem goldenem Schnurbesatz, der sich schlangenartig über die Brust zog. Eine Überjacke aus Pelz war über die Dolmanschulter gehängt. Der Tschako war passend zu den roten Kragenspiegeln und Hosentressen mit einer roten Feder geschmückt.
    »Dragoner?«, mutmaßte Lysander.
    »Husar. Hast du vielleicht etwas zu trinken da, Lysander? Etwas Hochprozentiges? Ich gestehe, dass ich leicht nervös bin.«
    »Ich kann dir Scotch anbieten, wenn du magst.«
    »Perfekt.«
    Wolfram folgte ihm in sein Zimmer und setzte sich mit rasselndem Säbel. Lysander schenkte den Whisky in einen Zahnputzbecher ein, den Wolfram in einem Zug leerte und ihm sogleich zum Nachfüllen hinhielt.
    »Sehr guter Tropfen – finde ich.«
    »Du kannst doch nicht mit einer Whiskyfahne vor Gericht erscheinen.«
    »Zuvor rauche ich noch eine Zigarre.«
    Lysander setzte sich ebenfalls und musterte dieses ruritanische Idealbild eines schneidigen Kavallerieoffiziers. Wenn er den Tschako aufsetzte, dürfte er an die 2,15 Meter heranreichen, schätzte Lysander.
    »Worum geht es bei deiner Verhandlung?«, fragte er. Nun, da der Tag der Abrechnung gekommen war, konnte er ruhig versuchen, den Grund für Wolframs Zwangsaufenthalt in der Pension Kriwanek in Erfahrung zu bringen.
    »Um Geld, das aus der Offiziersmesse entwendet wurde«, antwortete Wolfram gelassen. Dann gab er die Details preis: Der Regimentsoberst sollte in Pension gehen, und die Offiziere hatten gesammelt, um ihm ein opulentes Abschiedsgeschenk zu machen. Die Spenden erfolgten anonym, das Geld wurde einfach in den Schlitz einer verschlossenen Kassette gesteckt, die auf einer Anrichte in der Messe stand. Als die Kassette schließlich geöffnet wurde, reichte das Geld höchstens, um dem Oberst »eine mittelgroße Kiste Trabuco-Zigarren oder ein paar Flaschen ungarischen Schaumwein« zu spendieren, wie Wolfram erklärte. »Offenbar hatten wir für unseren geliebten Oberst kaum etwas erübrigen können – oder jemand hatte lange Finger gemacht.«
    »Wer verwahrte den Kassettenschlüssel?«
    »Der jeweils aufsichtführende Offizier, im wöchentlichen Wechsel. Die Kassette stand drei Monate dort. Drei Monate entsprechen zwölf Wochen, macht also zwölf Verdächtige, von denen jeder weidlich Zeit gehabt hätte, den Schlüssel nachmachen zu lassen und Geld zu entnehmen. Ich war einer dieser zwölf aufsichtführenden Offiziere.«
    »Aber warum verdächtigt man ausgerechnet dich?« Lysander war Wolframs wegen entrüstet.
    »Weil ich Slowene in einem deutschen Regiment bin. Das heißt, unter deutschsprachigen Österreichern. Es gibt auch ein paar Tschechen, aber die deutschen Offiziere werden immer den Slowenen in Verdacht haben – deshalb musste ich ein halbes Jahr hier zubringen, während sie überlegten, was sie mit mir anstellen sollten.«
    »Aber das ist doch lächerlich. Nur, weil du Slowene bist?«
    Wolfram lächelte matt.
    »Wie viele Länder zählt unser stolzes Kaiserreich?«
    »Österreich, Ungarn und … « Lysander dachte nach. »Und Kroatien – «
    »Und das ist erst der Anfang. Die Krain, Mähren, Galizien, Bosnien, Dalmatien – ein Gemüseeintopf, ein riesiger Salat, der zum Himmel stinkt. Von den Italienern oder Ukrainern ganz zu schweigen. Ich nehme noch einen letzten Schluck Whisky.«
    Lysander schenkte ihm ein.
    »Hier hast du Österreich.« Wolfram rückte die Flasche beiseite und stellte den Becher daneben ab. »Hier hast du Ungarn. Die anderen Länder sind eine Art Harem für diese beiden mächtigen Sultane. Sie benutzen uns nach Belieben. Wer hat also das Geld des Obersts geklaut? Das muss der verschlagene Slowene gewesen sein.«
    Es klopfte an der Tür, dann steckte Traudl den Kopf herein und wurde rot.
    »Herr Leutnant, Ihr Fiaker wäre da.«
    Wolfram stand auf, knöpfte seinen Kragen zu, zog die Handschuhe an, packte seinen Säbel.
    »Viel Glück«, sagte Lysander und gab ihm die Hand. »Du bist unschuldig, du hast nichts zu befürchten.«
    Wolfram zuckte lächelnd mit den Schultern. »Kein Mensch ist ganz frei von Schuld … «
    »Das ist wohl wahr. Aber du weißt, was ich meine.«
    »Ich komm schon zurecht«, sagte Wolfram. »Der verschlagene Slowene hat noch ein paar Trümpfe im Ärmel.« Er verneigte sich leicht, schlug die Hacken zusammen – kurzes Sporenklappern – und ging.
    Lysander kehrte an seinen Schreibtisch

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