Eine Hand voll Asche
wurde. Der Typ war starker Raucher, und man ging davon aus, er wäre beim Rauchen im Bett eingeschlafen. Doch die Arme waren ausgestreckt und lagen hinter dem Rücken. Ich wusste, dass das so nicht sein konnte, also nahm ich ein Vergrößerungsglas und ein Zwei-Millimeter-Gitter, um die Asche der Matratze auszusieben. Dabei fand ich einige verbrannte Fasern, die die Kriminalpolizei als Seil identifizieren konnte. Es stellte sich heraus, dass sein Geschäftspartner ihn umgebracht hatte. Er hatte eine Lebensversicherung über eine Million Dollar auf ihn abgeschlossen.«
»Erstaunlich«, sagte O’Conner, »dass Sie das allein anhand der Position der Arme sagen konnten.«
»Man muss nur auf die Details achten, dann fällt einem schon auf, wenn etwas nicht stimmt«, sagte ich.
Während ich das sagte, ging mir auf, dass hier eindeutig etwas nicht stimmte. Miranda hatte mit ihrer zügigen Arbeit inzwischen praktisch den ganzen Arm freigelegt, und ich hatte mich den Hals hinunter zu den Schlüsselbeinen und dem oberen Rand des Brustkorbs vorgearbeitet. Die Knochen, die wir bislang freigelegt hatten, waren zu einer einheitlichen grauweißen Farbe verbrannt, was bedeutete, dass sie kalziniert waren: auf ihre bloße, brüchige, spröde mineralische Matrix reduziert. Wenn ich einmal ordentlich mit den Händen zudrückte, würde der Schädel wahrscheinlich in tausend Stücke zerbrechen. Sowohl die kalzinierten Knochen als auch die geschmolzenen Leitungen wiesen darauf hin, dass das Feuer heißer gewesen war als ein Einäscherungsofen. Frische Knochen hätten sich in dieser Hitze verzogen und wären gesplittert. Diese Knochen wiesen dafür keinerlei Anzeichen auf.
»Verdammt«, sagte ich und starrte auf das Becken, das ich gerade gefunden hatte. Über das Becken waren die metallenen Zähnchen eines Reißverschlusses drapiert, und es wies fein säuberliche Brüche in Kreuzlagen auf. »Das ist keine verbrannte Leiche. Das ist ein verbranntes Skelett.«
Der Suchtrupp erstarrte, und ich spürte, wie sich sämtliche Blicke auf mich richteten. »Das waren schon vor dem Brand trockene Knochen.«
Ich sah mich um. Miranda und Art nickten, denn sie verstanden mich, doch die Übrigen wirkten verdutzt. O’Conner stellte die Frage, die allen durch den Kopf ging. »Wie ist das möglich?«
»Es ist möglich, wenn Garland Hamilton es hier deponiert hat.«
Ich sah, dass O’Conner Mühe hatte, die Information zu verarbeiten – Mühe, die Schlussfolgerung daraus zu verdauen.
»Sheriff«, sagte ich, »das ist nicht Garland Hamilton.«
Schweigen breitete sich aus, während meine Worte einsanken. Dann hörte ich ein Aufkeuchen. Ich schaute mich um und sah, dass Miranda etwas Schwarzes vom Boden aufhob. »Also, wenn das da nicht Hamilton ist«, sagte sie, »dann vielleicht das hier.«
In der ausgestreckten Hand hielt sie das zertrümmerte Schädeldach eines zweiten Schädels.
27
Im letzten Tageslicht standen wir – Miranda, Art, Jim O’Conner, Waylon und ich – um die beiden Leichensäcke, die neben meinem Wagen auf dem Boden ausgebreitet waren. Darauf waren in anatomischer Anordnung die Skelette zweier weißer Männer ausgelegt.
Irgendetwas an dem ersten Skelett – das, bei dem ich mir sicher war, dass es schon vor dem Brand aus sauberen, trockenen Knochen bestanden hatte – kam mir seltsam bekannt vor. Ich ließ den Blick vom Schädel zu den Füßen und dann wieder hinauf wandern. Und dann kehrte mein Blick zum Brustkorb zurück, und zwar zur rechten Seite. »Scheißkerl«, sagte ich leise. »Miranda, sehen Sie sich mal die rechte Seite des Brustkorbs an.«
Ihre Augen wurden größer. »Scheißkerl«, plapperte sie mir nach. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich Billy Ray Ledbetter im Leben noch mal zu sehen kriege.«
»Wer ist Billy Ray Ledbetter?«, fragte der Sheriff. »Und wie kommen Sie darauf, dass er es ist?«
»Billy Ray war ein Typ, dessen Obduktion Garland Hamilton versiebt hat«, sagte ich. »Er hat bei einer Schlägerei in einer Bar ein paar Tritte abbekommen und ist zwei Wochen später an inneren Blutungen gestorben – an einer durchstochenen Lunge. Seine gebrochene Rippe war teils schon verheilt, als er starb.«
»Und an der hier«, sagte Miranda und nahm die siebte Rippe, »fehlte ein Splitter von ungefähr zweieinhalb Zentimetern Länge, direkt hier .« Mit der Spitze ihrer Kelle fuhr sie eine entsprechende Kerbe im Knochen nach.
»Wie um alles in der Welt«, meinte O’Conner, »kommt es, dass Billy Ray
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