Eine Hand voll Asche
jedenfalls alle Hände voll zu tun, so viel steht mal fest. Ein paar von meinen Verwandten reden nicht mehr mit mir, aber im Großen und Ganzen haben wir das Gefühl, was Gutes zu tun. Schmeißen wenigstens ein bisschen was vom ärgsten Gesindel raus. Ich muss Ihnen allerdings sagen, Doc, dass ich die Hahnenkämpfe schon vermisse, seit wir die Halle dichtgemacht haben.« Er runzelte die Stirn über den Verlust des einst beliebtesten Zuschauersports in ganz Cooke County, doch dann lächelte er wieder sein schiefes Lächeln – sogar noch breiter –, und ich glaubte, zwischen seinen blau beleuchteten Zähnen ein paar Klümpchen Kautabak zu entdecken. »Hey, ich habe letzte Woche ein Baby zur Welt gebracht, Doc, auf dem Rücksitz von dem Jeep hier. Die Lady hat voller Panik angerufen, ihr Mann wäre nicht zu Hause und das Baby käme. Wir mit jaulendem Einsatzhorn in Richtung Stadt, und da brüllt sie, sie könnte nicht länger warten – sie müsste jetzt sofort pressen. Also bin ich an den Straßenrand gefahren, und sie hat den kleinen Jungen direkt in meine Hände plumpsen lassen. Sie hat den kleinen Kerl Waylon getauft. Hat mich mächtig stolz gemacht.«
»Mich macht das auch stolz, Waylon. Machen Sie nur weiter so. Was meinen Sie, können wir die Straße hier rauffahren, ohne dass uns die Reifen schmelzen oder der Benzintank um die Ohren fliegt?«
»Oh, klar, Doc, ich wollt Sie hier nicht mit meinem Geschwätz aufhalten. Sie kommen schon klar da oben. Um die Hütte rum hat sich das Feuer freundlicherweise selbst verzehrt. Jedenfalls das, was mal die Hütte war. Das Feuer klettert noch den Hang rauf, aber am Felsen oben ist dann Schluss. Fahren Sie nur – ich geb Jim per Funk Bescheid, dass Sie da sind.«
Ich dankte Waylon, stieg wieder in den Wagen, legte den Gang ein und fuhr langsam die Schotterstraße hinauf. Die Straße schlängelte sich durch einen – soweit sich das erkennen ließ – Wald aus Tulpenbäumen und Hemlocktannen; zweimal durchquerte sie einen kleinen Bach, und ich war froh, einen Pick-up zu fahren und keinen tiefgelegten Sportwagen. Nach einer Meile, die mir endlos schien, kamen wir endlich auf einer Lichtung heraus. Im grellen Licht der Autoscheinwerfer und Arbeitsleuchten und der roten und blauen Blitzleuchten von einem Dutzend Löschfahrzeugen und Polizeiwagen sah der Rauch, der noch in der Luft hing, so dick aus wie Wasser. Die Ruinen der Hütte schwelten noch, und als ich aus dem Wagen stieg, spürte ich, welche Hitzewelle von den zersplitterten und verkohlten Trümmern ausging. Vor der schwarzen Hütte parkte ein ausgebranntes Fahrzeug, aus dem immer noch ein Rauchfaden aufstieg. Er vereinte sich mit der größeren Rauchwolke, die über dem ganzen Bereich hing.
Jim O’Conners kurze, drahtige Gestalt löste sich aus einer Gruppe Deputys und Feuerwehrleute, um uns zu begrüßen. Er wirkte müde, besorgt und verdrießlich. »Was für eine Sauerei«, sagte er und schüttelte mir die Hand. »So viel zu meiner optimistischen Vorhersage, wie leicht es sein würde.«
»Irgendeine Idee, was den Brand ausgelöst hat?«
O’Conner schüttelte den Kopf. »Wir können bisher nur sagen, dass die Explosion zuerst erfolgt ist und dann der Brand. Die Explosion hat einen Teil des Dachs weggepustet – da drüben kann man einige verkohlte Balken und Träger sehen«, sagte er und zeigte auf eine Stelle auf halbem Weg zwischen der Hütte und einigen schwelenden Baumstämmen. »Aber das Feuer ist unmittelbar danach ausgebrochen und hat sich schnell ausgebreitet.« O’Conner schaute auf die Uhr und blickte dann zum Himmel. »Bald geht die Sonne auf«, sagte er. »Wollen Sie gleich loslegen oder lieber aufs Tageslicht warten?«
Ich schaute auf und glaubte, einen blassen Schimmer zu erkennen. »Wir können genauso gut warten«, meinte ich. »Es wird schon schwierig genug, die Knochen im hellen Tageslicht auszumachen, von der Dunkelheit ganz zu schweigen. Wenn Hamilton da drin ist, wird er nicht toter, wenn wir eine Stunde warten.« Sobald die Worte raus waren, merkte ich, dass ich einen alten Witz recycelt hatte, doch für O’Conner war er neu, und er lachte – einen Hauch reumütig, wie ich fand, aber er lachte immerhin.
Die Hütte war groß, oder war es vor ihrer Zerstörung zumindest gewesen – eher eine Art Blockhaus als ein Wochenendrefugium. O’Conner sagte, sie habe zwei Stockwerke gehabt und einen Keller. Jetzt standen nur noch die gemauerten Kellerwände und der größte Teil der
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