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Eine Hand voll Asche

Eine Hand voll Asche

Titel: Eine Hand voll Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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Schornsteine, in deren riesigen offenen Kaminen man wahrscheinlich in jedem Stock ein ganzes Schwein hatte braten können.
    O’Conner zeigte mit dem Strahl einer starken Taschenlampe auf den Kamin im Keller. »Da drüben, knapp zwei Meter von der Feuerstelle entfernt, hat Waylon den Schädel entdeckt.« Ich folgte dem Lichtstrahl und sah zerbrochene Keramik und etwas, was aussah wie zwei verkohlte Äste, doch je länger ich ihre seltsame Symmetrie betrachtete, desto weniger ähnelten sie Ästen – und sahen immer mehr aus wie ein verbranntes Geweih von einer Jagdtrophäe, die über dem Kaminsims gehangen hatte. Dann sah ich zwischen dem Geweih eine vertraute runde Form mit zwei dunklen ovalen Öffnungen. Ein Schädel, unverkennbar menschlich. »Miranda?« Sie wandte sich von der Betrachtung des Fußbodens ab und sah mich an, ebenso wie Art. »Da drüben, unter dem Geweih.« Ihr Blick folgte meinem.
    »Wow«, sagte sie. »So etwas sieht man nicht jeden Tag. Wie eine wild geklonte Jagdtrophäe.«
    Die Flammen hatten die Treppe im Haus vollkommen zerstört; um in den Keller zu gelangen, mussten wir über eine Leiter hinuntersteigen. Ich bat darum, die Leiter in eine Ecke in der Nähe des Kamins hinunterzulassen, der an einem Ende des Gebäudes in der Mitte lag.
    Während wir auf volles Tageslicht warteten, luden wir den Pick-up aus, Art, O’Conner und ich zogen Tyvek-Overalls über und stellten unsere Ausrüstung am oberen Ende der Leiter ab – Kellen, Rechen, Schaufeln, Siebe aus Fliegengitterdraht und Asservatenbeutel aus Papier. Sobald wir bereit waren und ausreichend Tageslicht vorhanden war, nickte ich O’Conner zu, und wir machten uns an die Arbeit. Ein rußverschmierter Feuerwehrmann stieg zuerst hinunter und sicherte die Leiter für Miranda, Art, O’Conner und mich.
    In der grauschwarzen Welt aus Asche und Glut zu meinen Füßen fielen mir als Erstes seltsam hell glänzende Farbstückchen auf. Ich hockte mich hin und rührte in der Asche, um ein solches Stückchen herauszufischen – einen dünnen, fransigen Draht von orange-rötlicher Farbe, etwa fünfzehn Zentimeter lang. Er folgte, von der Seite betrachtet, der schwachen Kontur der Trümmer darunter, doch von oben gesehen verlief er in einer geraden Linie. Ich schaute instinktiv auf, obwohl dort jetzt nichts anderes zu sehen war als der blasse Morgenhimmel anstelle der verbrannten Balken und des Kupferdrahts, der geschmolzen und hinuntergetropft war.
    »Irgendeine Idee, bei welcher Temperatur Kupfer schmilzt?«, fragte O’Conner, bevor ich es aussprechen konnte.
    »Ich versuche gerade, mich daran zu erinnern«, versetzte ich. »Ziemlich hoch. Bei irgendwo um die tausend Grad, glaube ich.«
    Der Feuerwehrmann, der runtergekommen war, um für uns die Leiter festzuhalten, meldete sich zu Wort. »Ich glaube, er liegt noch viel höher. Zum Teufel, Blei schmilzt bei etwa sechshundert Grad, und Kupfer ist viel härter als Blei.«
    »Oh, tut mir leid, ich meinte Celsiusgrade«, sagte ich. »Tausend Grad Celsius wäre, wollen mal sehen, knapp zweitausend Grad Fahrenheit.«
    Der Feuerwehrmann nickte. »Das klingt schon plausibler. Das einzige andere Mal, als ich geschmolzene Drähte gesehen habe, war bei einem Brand in einem Farbengeschäft. So wie die ganzen Lösungsmittel in die Luft gegangen sind – Lackverdünner, Terpentin, Azeton, Ölfarben und was sonst noch alles –, hätte man denken können, es wäre der weltgrößte Fall von Brandstiftung. War es aber nicht. Nur ein Unfall.«
    »Und bei welcher Temperatur brennt ein Holzhaus normalerweise ab?«
    »Achthundert, vielleicht tausend Grad Fahrenheit«, sagte er. »Mehr, wenn es viel Brennmaterial gibt und eine gute Sauerstoffzufuhr. Dann kommt es zu einem Kamineffekt – zum Beispiel bei einem alten drei- oder vierstöckigen viktorianischen Haus –, dann kann’s schon mal bis zu fünfzehnhundert oder zweitausend Grad heiß werden. Aber Blockhütten wie die hier brennen in der Regel langsamer als ein normales Holzhaus – genau wie dicke Scheite auf einem Lagerfeuer langsamer brennen als Ästchen. Aber das Ding hier hat gebrannt wie Zunder. Hier drin muss ein Scheißhaufen Brandbeschleuniger gewesen sein.«
    Ich lachte. »›Scheißhaufen‹ – ist das ein technischer Begriff aus dem Bereich der Brandermittlung?«
    Er grinste verlegen. »Ja, Sir.«
    Zwei Deputys beugten sich über den Rand des Kellers und reichten uns unser Werkzeug herunter. Der Estrich war mit einer Schicht nasser Asche bedeckt, doch

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