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Eine handvoll Dunkelheit

Eine handvoll Dunkelheit

Titel: Eine handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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würdest, aber statt dessen hast du – wie mit Amboynton vereinbart – einen Flug zur Erde gebucht. Um die Wahrheit zu sagen, du hast während der Reise einen Selbstmordversuch unternommen ... aber daran mußt du dich doch erinnern.«
    »Sprich weiter.« Er besaß keine Erinnerung an einen Selbstmordversuch.
    »Ich werde dir den Bericht in der Homöozeitung zeigen; natürlich habe ich ihn aufbewahrt.« Carol verließ die Küche; ihre Stimme drang aus dem Schlafzimmer. »Aus fehlgeleiteter Sentimentalität. ›Passagier eines Interplanschiffes ... ‹« Sie verstummte, und Stille kehrte ein.
    Cupertino wartete und nippte an seinem Kaffee, und er wußte, daß sie diesen Zeitungsartikel nicht finden würde. Denn es hatte keinen Selbstmordversuch gegeben.
    Carol kehrte mit einem verwirrten Gesichtsausdruck in die Küche zurück. »Ich kann ihn nicht finden. Aber ich weiß, daß er in meiner Ausgabe von Krieg und Frieden war, im Teil eins; ich habe ihn als Lesezeichen benutzt.« Sie wirkte erstaunt.
    »Ich bin nicht der einzige, der eine falsche Erinnerung besitzt«, stelle Cupertino fest. Zum erstenmal seit drei Jahren hatte er das Gefühl, weiterzukommen.
    Aber auf sehr obskure Weise. Zumindest bis jetzt. »Ich verstehe das nicht«, sagte Carol. »Irgend etwas stimmt nicht.«
    Während er in der Küche wartete, zog sich Carol im Schlafzimmer an. Schließlich kam sie wieder herein, bekleidet mit einem grünen Pullover, einem Rock und hochhackigen Schuhen; sie blieb neben dem Herd stehen, kämmte ihr Haar und drückte die Knöpfe für Toast und zwei weichgekochte Eier. Inzwischen war es sieben Uhr geworden; das Licht, das von draußen hereindrang, war nicht mehr grau, sondern von einem zarten Goldton. Und der Verkehr war nun dichter; er hörte das beruhigende Brummen der Lastwagen und Privatautos.
    »Wie bist du an dieses Haus gekommen?« fragte er. »Es ist doch in Los Angeles genau wie in San Francisco so gut wie unmöglich, etwas anderes als ein Konap in einem Wolkenkratzer zu mieten.«
    »Durch meinen Arbeitgeber.«
    »Wer ist dein Arbeitgeber?« Er empfand Argwohn und Ärger; offensichtlich besaß sie Einfluß. Seine Frau war vorangekommen.
    »Fallende Sterne GmbH.«
    Sie war ihm unbekannt; verwirrt fragte er: »Ist diese Gesellschaft auch außerhalb von Terra tätig?« Wenn es sich dabei um eine interplanetare ...
    »Es ist eine Holdinggesellschaft. Ich bin Beraterin des Aufsichtsratsvorsitzenden. Im Bereich der Marktforschung.« Sie fügte hinzu: »Dein alter Arbeitgeber, die Sechs-Planeten-Bildungsgesellschaft, gehört uns; wir besitzen die Aktienmehrheit. Nicht, daß das eine Rolle spielt.«
    Sie nahm ihr Frühstück ein und bot ihm nichts an; offenbar schien sie es nicht einmal zu bemerken. Verdrossen betrachtete er die gezierten Bewegungen, mit denen sie das Besteck führte. Noch immer zeichnete sie bourgeoise Vornehmheit aus; in dieser Hinsicht hatte sie sich nicht verändert. Tatsächlich war sie sogar kultivierter und weiblicher denn je.
    »Ich glaube«, erklärte Cupertino, »daß ich das verstehe.«
    »Pardon?« Sie sah auf und musterte ihn forschend mit ihren blauen Augen. »Was verstehst du, Johnny?«
    »Dich«, sagte Cupertino. »Deine Gegenwart. Offensichtlich bist du völlig real – so real wie alles andere. So real wie Pasadena, wie dieser Tisch ...« Heftig schlug er auf das Plastik der Tischplatte. »So real wie Dr. Hagopian oder wie die beiden Polizisten, die mich heute früh angehalten haben.« Er fügte hinzu: »Aber wie real ist das? Ich glaube, das ist das Schlüsselproblem. Es würde erklären, warum meine Hände feste Materie durchdringen konnten, das Armaturenbrett meines Autos, wie ich es heute morgen erlebt habe. Diese schreckliche Erfahrung, daß meine gesamte Umgebung substanzlos war und ich in einer Schattenwelt lebte.«
    Carol starrte ihn an und lachte plötzlich. Dann fuhr sie fort zu essen.
    »Möglicherweise«, sinnierte Cupertino, »bin ich in einem Gefängnis auf Ganymed, oder in einer psychiatrischen Klinik. Wegen meines Verbrechens. Und ich habe während der letzten drei Jahre seit deinem Tod begonnen, eine Phantasiewelt um mich herum zu errichten.«
    »O Gott«, stieß Carol hervor und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob ich lachen oder mir Sorgen machen soll; es ist einfach zu ...« Sie gestikulierte. »Zu mitleiderregend. Ich mache mir wirklich Sorgen um dich, Johnny. Bevor du deine Wahnidee aufgibst, würdest du es tatsächlich vorziehen, auch weiterhin zu

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