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Eine handvoll Dunkelheit

Eine handvoll Dunkelheit

Titel: Eine handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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sie aufhört, sie scheint immer weiter und weiter nach oben zu führen. Eine Welt nach der anderen.«
    »Wer entscheidet darüber?« fragte Rick.
    »Es liegt an mir«, antwortete Silvia leise. »Sie sagen, wenn ich das Risiko eingehen will, werden sie es versuchen.«
    »Und was wirst du tun?« erkundigte er sich.
    »Ich fürchte mich. Was ist, wenn etwas mißlingt? Du hast ihn nicht gesehen, den Zwischenbereich. Die Möglichkeiten dort sind unbeschreiblich – sie entsetzen mich. Er war der einzige mit genug Mut. Jeder andere hatte Angst davor.«
    »Es war ihr Fehler. Sie müssen die Verantwortung dafür übernehmen.«
    »Sie wissen das.« Silvia zögerte unbehaglich. »Rick, Liebling, bitte sage mir, was ich tun soll.«
    »Komm zurück!«
    Stille. Dann ihre Stimme, dünn und mitleiderregend. »In Ordnung, Rick. Wenn du glaubst, daß es richtig ist.«
    »Es ist richtig«, erklärte er fest. Er zwang sich, nicht daran zu denken, es sich nicht auszumalen oder vorzustellen, was geschehen könnte. Er mußte sie zurückhaben.
    Eine betäubende Hitzewelle entstand vor ihm. Er wurde hochgehoben und in einen flammenden See aus reiner Energie geschleudert. Sie kehrten zurück, und der kochende See aus purer Macht umwölbte und umtoste ihn. Für einen winzigen Moment lang glaubte er, Silvia zu sehen, wie sie ihm sehnsüchtig die Arme entgegenstreckte.
    Dann verblaßte das Feuer, und er lag geblendet in der kühlen, feuchten nächtlichen Dunkelheit. Allein in der Stille.
    Walter Everett half ihm auf die Beine. »Sie verdammter Narr!« sagte er immer wieder. »Sie hätten sie nicht zurückholen dürfen. Sie haben uns schon genug genommen.«
    Dann befand er sich wieder in dem großen, warmen Wohnzimmer. Mrs. Everett stand schweigend vor ihm, ihr Gesicht hart und ausdruckslos. Die beiden Töchter kauerten ängstlich neben ihm, nervös und neugierig, und ihre Augen waren vor morbider Faszination weit aufgerissen.
    »Ich werde mich wieder erholen«, murmelte Rick. Seine Kleidung war versengt und geschwärzt. Er rieb die Asche aus seinem Gesicht. Verkohlte Grasstücke klebten in seinem Haar – sie hatten einen Kreis um ihn geformt, als sie aufbrachen. Er legte sich auf die Couch und schloß die Augen. Als er sie wieder öffnete, drückte ihm Betty Lou Everett ein Glas Wasser in die Hand.
    »Danke«, brummte er.
    »Sie hätten niemals hinausgehen dürfen«, wiederholte Walter Everett. »Warum? Warum haben Sie das getan? Sie wissen, was ihr zugestoßen ist. Möchten Sie, daß das gleiche mit Ihnen geschieht?«
    »Ich möchte sie zurückhaben«, erklärte Rick ruhig.
    »Sind Sie verrückt? Sie können sie nicht zurückhaben. Sie ist fort.« Seine Lippen zitterten. »Sie haben sie gesehen.«
    Betty Lou blickte Rick forschend an. »Was ist dort draußen geschehen?« fragte sie. »Sie sind zurückgekommen, nicht wahr?«
    Rick richtete sich schwerfällig auf und verließ das Wohnzimmer. In der Küche goß er das Wasser in die Spüle und mixte sich einen Drink. Während er erschöpft an der Spüle lehnte, erschien Betty Lou im Türrahmen.
    »Was willst du?« fragte Rick.
    Das schmale Gesicht des Mädchens besaß eine ungesunde rote Farbe. »Ich weiß, was dort draußen geschehen ist. Sie haben sie gefüttert, stimmt’s?« Sie kam näher. »Sie haben versucht, sie zurückzuholen?«
    »Das ist richtig«, bestätigte Rick.
    Betty Lou kicherte nervös. »Aber Sie können es nicht. Sie ist tot ... ihr Körper ist verbrannt ... ich habe es gesehen.« In ihrem Gesicht arbeitete es. »Vati hat immer behauptet, daß ihr etwas Schlimmes zustoßen würde, und so geschah es auch.« Sie lehnte sich an Rick. »Sie war eine Hexe! Sie hat bekommen, was sie verdient hat!«
    »Sie kehrt zurück«, sagte Rick.
    »Nein!« Panik verzerrte das grobe Antlitz des Mädchens. »Sie kann nicht zurückkommen. Sie ist tot – wie sie immer sagte: von einer Raupe zu einem Schmetterling geworden –, sie ist ein Schmetterling!«
    »Geh ins Wohnzimmer«, forderte Rick sie auf.
    »Sie können mich nicht herumkommandieren«, erklärte Betty Lou. Ihre Stimme nahm einen hysterischen Tonfall an. »Das ist mein Haus. Wir wollen Sie nicht mehr hier haben. Vati wird Ihnen das schon sagen. Er mag Sie nicht, und ich mag Sie nicht, und meine Mutter und meine Schwester ...«
    Die Veränderung erfolgte übergangslos. Wie ein Film, der riß. Betty Lou erstarrte, den Mund halb geöffnet, einen Arm erhoben, und die Worte erstarben ihr auf den Lippen. Sie war wie gelähmt, ein

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