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Eine handvoll Dunkelheit

Eine handvoll Dunkelheit

Titel: Eine handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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unvermittelt lebloses Geschöpf, das nur verschwommen sichtbar dastand, wie zwischen zwei Glasscheiben gefangen. Ein dumpfes Insekt, ohne Sprache oder Laute, träge und hohl. Nicht tot, aber abrupt zur ursprünglichen Unbeseeltheit zurückgeschleudert.
    In die gefangene Hülle drang ein neues Bewußtsein, ein neues Wesen. Es legte sich über sie, eine lebensspendende Sonne, die gierig in sie eindrang – wie heiße Flüssigkeit – und jede ihrer Zellen erfüllte. Das Mädchen taumelte und stöhnte; ihr Körper wurde von entsetzlichen Krämpfen erschüttert und gegen die Wand geschleudert. Eine Teetasse aus chinesischem Porzellan fiel von einem Regal und zerbarst auf dem Boden. Das Mädchen wich benommen zurück, eine Hand auf ihrem Mund, die Augen vor Schmerz und Entsetzen geweitet.
    »Oh!« keuchte sie. »Ich habe mich geschnitten.« Sie schüttelte den Kopf und sah bestürzt und flehentlich zu ihm auf. »An einem Nagel oder etwas Ähnlichem.«
    »Silvia!« Er griff nach ihr und half ihr hoch, zog sie fort von der Wand. Es war ihr Arm, den er berührte, warm und fest und weiblich. Verwirrte graue Augen, braune Haare, bebende Brüste – sie sah genauso aus wie in jenen letzten Momenten im Keller.
    »Laß mich nachschauen«, bat er. Er nahm ihr die Hand vom Mund und untersuchte zitternd ihren Finger. Dort war keine Schnittwunde, nur eine dünne weiße Narbe, die rasch verblaßte. »Es ist alles in Ordnung, Liebling. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Es ist alles gut.«
    »Rick, ich war drüben.« Ihre Stimme war rauh und leise. »Sie kamen und zerrten mich zu ihnen hinüber.« Sie schauderte heftig. »Rick, bin ich wirklich zurück?«
    Er preßte sie an sich. »Du bist zurück.«
    »Es hat so lange gedauert. Über ein Jahrhundert war ich drüben. Endlose Jahre. Ich dachte ...« Plötzlich stieß sie ihn fort. »Rick ...«
    »Was ist denn?«
    Silvias Gesicht war furchtverzerrt. »Etwas stimmt nicht.«
    »Alles ist in Ordnung. Du bist wieder zu Hause, und das ist alles, was zählt.«
    Silvia wich von ihm zurück. »Aber sie haben eine lebende Form benutzt, nicht wahr? Keinen Lehmklumpen. Sie besitzen nicht die Macht dazu, Rick. Sie haben statt dessen Seine Tat verändert.« Ihre Stimme wurde schrill vor Panik. »Ein Fehler – sie hätten wissen müssen, daß dies das Gleichgewicht stört. Es ist instabil, und keiner von ihnen kann es kontrollieren ...«
    Rick versperrte die Tür. »Hör auf so zu reden!« stieß er wütend hervor. »Es war es wert – alles ist es wert. Wenn sie das Gleichgewicht durcheinandergebracht haben, dann ist es ihre Schuld.«
    »Wir können es nicht umkehren!« Grell, dünn und schneidend war ihre Stimme, wie Stacheldraht. »Wir haben es ausgelöst, und die Wellen werden alles überfluten. Das Gleichgewicht, das Er geschaffen hat, besteht nicht mehr.«
    »Komm, Liebling«, bat Rick. »Gehen wir ins Wohnzimmer zu deiner Familie. Dort wirst du dich besser fühlen. Und du mußt versuchen, all das zu vergessen.«
    Sie näherten sich den drei sitzenden Gestalten, zwei auf der Couch, eine im Lehnstuhl neben dem Kamin. Die Gestalten saßen reglos da, mit ausdruckslosen Gesichtern, schlaff und wächsern, zusammengesunkene Hüllen, die nicht reagierten, als Silvia und Rick das Zimmer betraten.
    Verständnislos blieb Rick stehen. Walter Everett war nach vorn gesunken, die Zeitung in einer Hand, und seine Pfeife in dem großen Aschenbecher auf der Sessellehne rauchte noch immer. Mrs. Everett hatte ihr Nähzeug im Schoß liegen, ihr Antlitz war ernst und streng, aber merkwürdig unklar zu erkennen. Ein formloses Gesicht, als ob das Fleisch schmolz und zusammenlief. Jean war ein formloser Haufen, ein grober Lehmklumpen, der mehr und mehr seine Umrisse einbüßte.
    Unvermittelt brach Jean zusammen. Ihre Arme hingen schlaff herab. Ihr Kopf sackte nach vorn. Ihr Körper, ihre Arme und Beine wurden voller. Ihre Gesichtszüge veränderten sich rasch. Ihre Kleidung wechselte. Farbe glomm in ihren Haaren, ihren Augen, ihrer Haut. Die wächserne Blässe war verschwunden.
    Sie preßte ihre Finger an die Lippen und sah flehentlich zu Rick auf. Sie blinzelte, und ihr Blick klärte sich. »Oh«, keuchte sie. Nur widerstrebend bewegten sich ihre Lippen; ihre Stimme war leise und schwankte, wie eine schlechte Schallplattenaufnahme. Ruckartig richtete sie sich auf, mit unkoordinierten Bewegungen, die sie schwerfällig auf die Beine brachten und auf ihn zugehen ließen – mit mühsamen, starrbeinigen Schritten,

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