Eine Handvoll Dunkelheit
hatten. „Weißt du, ich habe mir heute große Mühe mit dem Essen gegeben.“ Bob, der ältere Junge, ließ sich nicht stören und schnitt die Leber und den Speck sorgfältig in kleine Stücke. Aber natürlich hatte Klein-Toddy Messer und Gabel beiseite gelegt, und wie E. J. saß er stumm da und starrte auf seinen Teller.
„Siehst du?“ fragte Liz. „Du gibst ein schlechtes Beispiel für die Kinder ab. Iß jetzt. Sonst wird es kalt. Du magst doch keine kalte Leber, oder? Es gibt nichts Schlimmeres als kaltgewordene Leber und Speck, auf dem das Fett getrocknet ist. Nichts auf der Welt ist schwerer verdaulich als kaltes Fett. Vor allem Lammfett. Man sagt, daß viele Leute Lammfett nicht vertragen können. Liebling, bitte iß.“
Elwood nickte. Er hob seine Gabel und spießte Erbsen und Kartoffeln auf, führte sie zu seinem Mund. Klein-Toddy ahmte ihn würdevoll und ernst nach, eine kleinere Ausgabe seines Vaters.
„Hört mal“, begann Bob, „wir hatten heute in der Schule eine Atombombenübung. Wir mußten uns unter die Pulte legen.“
„Wirklich?“ fragte Liz.
„Aber Mr. Pearson, unser Physiklehrer, sagt, daß die ganze Stadt zerstört wird, wenn man eine Bombe auf sie wirft, und deshalb verstehe ich nicht, was es für einen Sinn haben sollte, sich unter den Pulten zu verstecken. Ich meine, man sollte sich wirklich darüber klarwerden, welche Fortschritte die Wissenschaft gemacht hat. Es gibt jetzt Bomben, die kilometergroße Gebiete zerstören können, so daß nichts stehenbleibt.“
„Was bist du wieder schlau“, murmelte Toddy.
„Ach, halt’s Maul.“
„Kinder …“, sagte Liz.
„Es ist wahr“, erklärte Bob eifrig. „Ein Freund von mir ist in der Marinekorpsreserve, und er sagt, daß sie jetzt über Waffen verfügen, die Getreide vernichten und das Wasser der Talsperren vergiften können. Eine Art Kristall.“
„Großer Gott“, entfuhr es Liz.
„Im letzten Krieg gab es solche Sachen noch nicht. Die Atombomben wurden erst am Ende entwickelt, ohne daß es Gelegenheit gab, sie richtig einzusetzen.“ Bob wandte sich an seinen Vater. „Das stimmt doch, Paps, oder? Ich wette, als du in der Armee warst, da hattet ihr noch keine Atom …“
Elwood warf seine Gabel auf den Tisch. Er schob den Stuhl zurück und stand auf. Liz blickte verwirrt zu ihm auf, die Tasse auf halber Höhe zwischen Tisch und Mund. Bobs Mund stand offen, und er beendete seinen Satz nicht. Klein-Toddy schwieg.
„Liebling, was ist los?“ fragte Liz.
„Bis später.“
Erstaunt sahen sie ihm nach, wie er sich vom Tisch entfernte und das Eßzimmer verließ. Sie hörten ihn in die Küche gehen und die Hintertür öffnen. Einen Moment später fiel die Tür ins Schloß.
„Er ist in den Hinterhof gegangen“, stellte Bob fest. „Mama, war er schon immer so? Warum benimmt er sich so merkwürdig? Es liegt an der Kriegspsychose, die er sich auf den Philippinen geholt hat, nicht wahr? Im Ersten Weltkrieg nannte man das Granatenschock, aber nun weiß man, daß es sich dabei um eine Kriegspsychose handelt. Ist es so etwas?“
„Ihr sollt essen“, sagte Liz, und rote Zornesflecken brannten auf ihren Wangen. Sie schüttelte den Kopf. „Dieser verflixte Kerl. Ich kann mir nicht vorstellen …“
Die Jungen aßen.
Draußen im Hinterhof war es dunkel. Die Sonne war untergegangen, und die Luft war kalt und dünn, erfüllt von herumschwirrenden Nachtinsekten. Im Hof nebenan arbeitete Joe Hunt und kehrte das Laub unter seinem Kirschbaum zusammen. Er nickte Elwood zu.
Elwood wanderte langsam den Weg entlang, über den Hof auf die Garage zu. Er blieb stehen, die Hände in den Taschen vergraben. Neben der Garage reckte sich etwas Großes und Weißes in die Höhe, eine riesige, bleiche Silhouette in der Dämmerung. Als er dastand und es ansah, da begann ihn Wärme zu erfüllen. Es war eine seltsame Wärme, eine Art Stolz, mit Dankbarkeit und … Erregung gemischt. Immer wenn er das Boot ansah, übermannte ihn Erregung. Selbst als er mit dem Bau begonnen hatte, hatte sein Herz schneller geschlagen, seine Hände hatten gezittert, und Schweiß war auf seine Stirn getreten.
Sein Boot. Er lächelte, trat näher. Er hob den Arm und klopfte gegen den soliden Rumpf. Fast fertig. Einen Haufen Arbeit hatte er hineingesteckt, einen Haufen Arbeit und Zeit. Nachmittage hatte er damit verbracht, Sonntage, und manchmal war er sogar früh aufgestanden, um vor Bürobeginn Hand daran zu legen.
So war es am besten gewesen, früh am Morgen,
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